SECHS
unterhalb der Schlagzeile.
„ Der Elf-Millionen-Euro-Jackpot im LOTTO 6aus49 ist geknackt. Ein noch unbekannter Spieler hat auf einem in Berlin abgegebenen Spielschein die am vergangenen Samstag gezogenen Zahlen 12, 23, 38, 39, 45, 49 angekreuzt. Die für die Gewinnklasse eins nötige Superzahl (8) war dem Schein des Spielers aufgedruckt. Dem Gewinner war Fortuna gleich zweimal gewogen. Da die Gewinnklasse zwei (sechs Richtige) unbesetzt blieb, erhält der Spielteilnehmer zusätzlich die dort angefallene Gewinnsumme. “
Swantje war sprachlos. Es war nicht so sehr die Summe, die sie beeindruckte, sondern vielmehr die Tatsache, dass ihr Mann den Gewinner bereits kannte, während die Lottogesellschaft selbst noch im Nebel stocherte.
Eines musste sie ihm lassen: Er war ein Hund, ein ausgekochter. Wie er das angestellt hatte blieb sein Geheimnis, was er plante dahingegen nicht. Er wollte das Geld erpressen und ihm blieb dafür nur wenig Zeit. Denn wenn er in der Lage gewesen war, den Gewinner ausfindig zu machen, dann war es nur eine Frage der Zeit bis der Lottogesellschaft das ebenfalls gelang. Tauchte dann ein zweiter Mitarbeiter auf, um der Gewinnerin die freudige Nachricht zu überbringen, würden seine Träume zerplatzen wie eine Seifenblase. Und ihre auch. Und so blieb nicht viel Zeit zu reagieren, wollte sie etwas vom Kuchen abhaben.
Swantje fuhr den Rechner wieder herunter. Im Schein des Monitors vergewisserte sie sich noch, dass alle Dinge, Notizblock, Kugelschreiber und Tastatur, an ihrem Platz waren. Als der Monitor schwarz wurde, und das Arbeitszimmer wieder in der Dunkelheit versank, stand sie auf und verließ den Raum.
Möglichst leise bewegte sie sich durch den Flur zurück. Vielleicht war er ja doch im Haus und lauerte ihr irgendwo auf? Und genau an dieser Stelle dämmerte ihr: Wenn Arthur Sirkowsky tatsächlich umgehen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie jetzt eigenhändig zu erledigen. Damit aber entzog sich ihr Weiterleben ihrer Kontrolle und ihr Handel mit Sirkowsky war etwa so viel wert, wie der schlafende Schäfer vor dem hungrigen Wolf.
Im Angesicht dieser Erkenntnis blieb sie stehen. Sie atmete schwer. War das Angst? Ja! Sie hatte tatsächlich Angst. Wieder lauschte sie. Das Hämmern ihres Herzens brachte ihr Trommelfell zum Pulsieren und übertönte alles, das ihr jetzt verraten könnte geradewegs in eine Falle zu laufen. Sie versuchte, sich zu beruhigen.
Niemals hatte sie ihren Mann gefürchtet, und auch jetzt wollte sie diesem Gefühl keinen Raum lassen. Sie hatte ihren Mut doch schon bei seiner Sekretärin unter Beweis gestellt und auch diesem Sirkowsky furchtlos getrotzt! Jetzt aber führte sie sich auf wie ein kleines Mädchen? Lächerlich. Das half. Ihr Puls verlangsamte sich, ihre Atmung wurde flacher und dann bewegten sich auch ihre Beine wieder. Mit großen Schritten nahm sie den restlichen Flur. Nichts war passiert. Zur Sicherheit aber lief sie das ganze Haus ab, öffnete jede Tür und schaltete das Licht im dahinterliegenden Raum an. Dann hatte sie endlich Gewissheit. Sie war alleine. Ihre ganze Angst war umsonst gewesen.
Swantje ging in die Küche. Sie brauchte jetzt unbedingt einen Schluck Wein. Sie dachte an die exzellenten Jahrgänge in seinem Schrank, aber sie wollte auf keinen Fall noch einmal den Flur durchqueren müssen und auch nicht in sein Arbeitszimmer zurück. Also nahm sie mit dem billigen Roten vorlieb, den sie sonst zum Kochen benutzte.
Nach dem zweiten Glas dachte Swantje darüber nach, Sirkowsky zu informieren, damit dieser gewarnt in den Startlöchern stand. Damit aber tat sich eine Zwickmühle auf. Dieser Mann würde den Startschuss nicht abwarten wollen, sofort lossprinten und Arthur umbringen. Das hieß zwar einerseits, dass sie keine Angst mehr vor einem Hinterhalt haben musste, andererseits aber, dass sie beide das Geld abschreiben konnten. Also war sie gezwungen eine Möglichkeit zu finden, Sirkowsky doch irgendwie auszubremsen und Arthur damit Zeit zu verschaffen, das Geld zu organisieren. Mehr Zeit für Arthur aber bedeutete wiederum, mehr Gefahr für sie selbst. Und damit gelangte Swantje wieder zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen.
Sie drehte und wendete es noch mehrere Male, fand aber keine bessere Lösung. Gegen 21:30 Uhr machte sie sich auf den Weg zu Sirkowsky.
-79-
Es war dunkel und kalt. Der Wind trieb den Regen kreuz und quer über die hölzerne Veranda der Datscha, peitsche durch die Äste und ließ die Nacht dröhnen.
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