SECHS
die rechte Schulter gesunken, und ihre Beine hatte sie bequem von sich gestreckt. Mehr war von schräg hinten nicht zu erkennen, wurde von der hohen Sessellehne verdeckt. Aber das reichte ihm. Sie schlief friedlich, fest und arglos! Sehr unvorsichtig von ihr. Rentsch grinste.
Die Aussicht darauf, sich anzuschleichen, sie zu wecken und zusammenfahren zu lassen, beflügelte ihn so sehr, dass seine Füße eine Leichtigkeit gewannen, die den Tatzen des jagenden Wolfes zur Ehre gereichten. Schritt für Schritt näherte er sich ihr, und als er schräg hinter ihr stand, hob er das Bein, stützte den Fuß gegen die Lehne und trat zu. Der Sessel schwenkte um.
„Wach au...“
Weiter kam er nicht. Sein Magen verkrampfte sich und etwas Warmes, Brennendes arbeitete sich seine Speiseröhre hoch, schoss aus seinem Mund und bespritze das, was seine Frau im Schoß hielt. Noch zweimal ging das so, bevor der goldgelbe Schwall versiegte und er nur noch trocken würgen konnte.
Swantje war vom Brustbein bis zum Nabel aufgeschlitzt. Ihre Gedärme quollen ihr aus dem Bauchraum und lagen in ihren Händen. Es sah aus, als wolle sie deren Gewicht bemessen.
Durch den Stoß kam die schmierige Masse jetzt langsam ins Rutschen. Ein Teil des Darms wickelte sich ab wie ein Seil und der Rest klatschte dann im Ganzen zu Boden, wie eine Nachgeburt. Befreit vom Gewicht ihrer Innereien, ging durch Swantjes Körper ein Ruck, die rechte Hand glitt dabei von ihrem Oberschenkel und blieb auf der Sesselkante liegen.
Der fürchterliche Gestank innerer Zersetzung und seines eigenen Erbrochenen erreichte seine Nase. Schnell riss er den Kopf herum, verbarg sein Gesicht in der Armbeuge. Als er den Würgereiz wieder unter Kontrolle und er genügend Mut gefasste hatte, riskierte er einen zweiten Blick.
Ihr Mund, ihr Kinn und der Hals waren über und über mit Blut besudelt. Die Augen blickten glasig und klagend dorthin, wo jetzt ihre Eingeweide lagen. In der linken Seite ihres Halses steckte der abgebrochene Hals einer Flasche und darin eingerollt, sah er einen blutigen Zettel.
Rentsch wusste sofort, von wem die perverse Flaschenpost stammte. Dazu musste er sie nicht erst lesen. Aber natürlich würde er es. Dass er sich tatsächlich überlegte, ob er nur den Korken entfernen oder den Flaschenhals im Ganzen aus Swantje ziehen sollte, ließ ihn ausnahmsweise über sich selbst den Kopf schütteln.
Er hielt sich die eine Hand vor den Mund, griff mit der anderen nach dem Glas und biss die Zähne zusammen. Schmatzend fuhr es heraus. Er würgte, schaffte es aber trotzdem den Flaschenhals waagrecht zu halten, sich schnell zu drehen und die Nachricht angeekelt auf den Tisch zu schütteln. Dann warf er den Hals schnell von sich.
Rückwärts, ohne den Blick von seiner Frau zu nehmen, taumelte er in Richtung des Spirituosen-Schranks. Als er mit dem Rücken gegen ihn stieß, presste er sich eine Weile zitternd an sein Holz. Er hatte Angst. Angst vor ihr, Angst vor dem Zettel, Angst vor Sirkowsky. All das war eine völlig neue Erfahrung. Der Wolf war zum Schaf geworden.
Er griff über seine Schulter hinweg nach hinten und öffnete die Tür. Zu lange wollte er Swantje nicht unbeobachtet lassen, also drehte er sich schnell, zog irgendeine der Flaschen heraus und wirbelte wieder zurück. Nach fünf hastig getrunkenen Schlücken, direkt aus der Flasche, zitterten seine Hände schon weniger.
Noch immer mit dem Rücken an den Schrank gelehnt, versuchte er seine Gedanken zu sortieren. Er glaubte nicht daran, dass Sirkowsky lediglich aus Gefälligkeit erledigt hatte, worum er nicht offiziell gebeten worden war. Ein Smiley oder ein schlichtes „Gern geschehen“, würden wohl kaum auf der Nachricht zu finden sein. Nein. Swantjes Hinrichtung, ihre Schlachtung in seinem Haus, war eine Warnung. Und er hatte auch eine Ahnung wovor. Nach dem sechsten oder siebten Schluck wusste er, dass alles nichts half. Er musste den Zettel lesen, seine Ahnung zur Gewissheit machen.
Zögernd setzte er sich in Bewegung. Am Tisch angekommen, starrte er lange auf die rote Papierrolle. Er bezweifelte, dass überhaupt noch etwas zu lesen sein würde. Mit Sicherheit war die Tinte verlaufen. Mit dem Brieföffner in der einen und einem Kugelschreiber in der anderen Hand, entrollte er das vollgesogene Blatt Papier. Als es endlich ausgebreitet vor ihm lag, schrak er zurück. Nicht das ganze Blut war zufällig auf das Papier gekommen, manches davon war Programm. Rot und krakelig, vermutlich mit dem
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