Sechseckwelt 01 - Die Sechseck-Welt
wohl auch gehen, Captain, doch ich hätte gern wieder Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen und mir vielleicht die Brücke anzusehen.«
»Aber gern«, erwiderte er liebenswürdig. »Ich nehme hier alle Mahlzeiten zu mir, und Gesellschaft ist immer willkommen. Vielleicht essen wir morgen miteinander, unterhalten uns, und ich zeige Ihnen danach, wie das Schiff gesteuert wird.«
Als er in der Messe allein war, sah er sich die leeren Teller an. Hain hatte, wie erwartet, keinen Bissen übriggelassen, ebenso Vardia und er selbst – die Mahlzeiten wurden einzeln nach den jeweiligen Vorlieben und dem Körperbau zubereitet.
Julees Essen war fast unberührt. Sie hatte im Teller nur herumgestochert.
Kein Wunder, daß sie dahinsiecht, jedenfalls körperlich, dachte er. Aber warum seelisch? Sie war ganz gewiß nicht Hains Nichte, und er bezweifelte, ob sie eine Angestellte sein konnte.
Was dann?
Er drückte auf den Abräumknopf und versenkte die Stühle, dann kehrte er auf die Brücke zurück.
Im Weltraum waren Frachterkapitäne natürlich das Gesetz. Sie mußten es sein. Alle Schiffe besaßen Sicherheitsvorkehrungen, die bei jedem Kapitän verschieden waren, aber auch solche, die allen gemeinsam waren, wenn auch nur diesen Kapitänen bekannt.
Brazil ließ sich in seinem Kommandosessel nieder und blickte auf den Projektionsschirm, der noch immer die fast unveränderte Sternenwelt zeigte. Sie sah sehr realistisch und eindrucksvoll aus, war aber unecht, eine Computersimulation; der Balla-Drubbik-Antrieb, der Überlichtgeschwindigkeit erlaubte, war in seiner Art außerdimensional. Außerhalb des Energieschachts des Schiffes befand sich 3° einfach nichts, was menschlichen Begriffen zugänglich gewesen wäre.
Er tippte auf der Computertastatur ein: ›ICH VERMUTE ILLEGALE HANDLUNGEN. KABINE 6 AUF DEM LINKEN, KABINE 7 AUF DEM RECHTEN BILDSCHIRM ZEIGEN.‹
Der Computer ließ eine kleine gelbe Lampe aufflammen, um anzuzeigen, daß er die Anweisung erhalten und den Code des Kapitäns registriert hatte, dann wurde das simulierte Sternenfeld durch die nebeneinanderliegenden Ansichten der beiden Kabinen ersetzt.
Die Tatsache, daß in allen Kabinen Kameras versteckt waren und von den Kapitänen bedient werden konnten, war ein streng gehütetes Geheimnis, obschon bei mehreren Personen, die zufällig dahintergekommen waren, die Konföderation dieses Wissen gelöscht hatte. Aber mit diesen Methoden war so mancher Wahnsinnige und Pirat gefaßt worden, und Brazil wußte auch, daß die Hafenbehörden der Konföderation sich die Aufzeichnungen dessen ansehen würden, was er live sah, um ihn nach seinen Motiven zu befragen. Man tat so etwas nicht leichtfertig.
Kabine 6 – Hains Kabine – war leer, aber der Gesuchte befand sich in Wu Julees Kabine 7. Ein weniger erfahrener, weniger abgestumpfter Mann wäre von der Szene abgestoßen gewesen.
Hain stand an der geschlossenen und verriegelten Tür und war völlig nackt. Wu Julee, einen Ausdruck des Entsetzens im Gesicht, war ebenfalls nackt.
Brazil drehte den Ton auf.
»Komm, Julee«, befahl Hain. Es stand nicht im Zweifel, was er erwartete.
Das Mädchen zuckte angstvoll zurück.
»Bitte! Bitte, Meister!« flehte sie mit all der hysterischen Leidenschaft, die sie vor anderen Augen verbarg.
»Wenn du es getan hast, Julee«, sagte Hain leise. »Erst dann.«
Sie tat, was er verlangte.
Weniger erfahrene und weniger abgestumpfte Männer wären von dem Anblick abgestoßen worden, gewiß.
Brazil begann, sich zu erregen.
Als sie fertig war, flehte Wu Julee den dicken Mann erneut an, ihn ihr zu geben. Brazil wartete aufmerksam, schon halb im klaren darüber, was das sein mußte. Er mußte nur sehen, wo es versteckt war und wie es geschützt wurde.
Hain versprach ihr, es zu bringen, und zog seine Toga wieder an. Er entriegelte die Tür und schaute sich im Korridor um, ging zu seiner eigenen Kabine und sperrte die Tür auf. Der unsichtbare Zeuge blickte auf Kabine 6.
Hain kam herein und zog unter dem Waschbecken einen kleinen, schmalen Aktenkoffer heraus. Er verfügte über den wirksamsten Sicherheitsverschluß, stellte Brazil fest – fünf kleine Quadrate, darauf programmiert, fünf von Hains zehn Fingerabdrücken in einer gewissen Reihenfolge aufzunehmen. Hains Körper verdeckte die Kombination, aber das spielte ohnehin keine Rolle – ohne Hains Berührung würde das ganze Innere sich in einem Säurebad sofort auflösen.
Hain öffnete den Koffer vor einem Fach mit Schmuck und
Weitere Kostenlose Bücher