Sechseckwelt 01 - Die Sechseck-Welt
und begann, mich in meiner neuen körperlichen Rolle immer behaglicher zu fühlen. Ich bin zu einem Ulik geworden , Nate, während ich geblieben bin, der ich war. Jetzt kann ich mich kaum noch erinnern, wie es gewesen ist, anders zu sein. Theoretisch, ja, gewiß – mein Verstand ist nie klarer gewesen. Aber die fremden Wesen seid jetzt ihr .«
Es blieb lange still, als sie die Informationen verdauten. Dann sagte Brazil: »Aber wenn es siebenhundertachtzig Lebensformen mit entsprechenden Biosphären gibt, Serge, warum hat es dann hier im Süden kein Weltbürgertum gegeben? Ich meine, warum sitzt jeder in seinem kleinen Bereich fest?«
»Es gibt natürlich eine gewisse Vermischung«, erwiderte Ortega. »Manche Hexagons sind vereinigt worden, andere nicht. Die Leute bleiben aber meist in ihren Gebieten, weil jedes anders ist. Außerdem haben die Leute Andersartige nie gut leiden können. Die Menschheit – die unsere und offenbar auch die aller anderen – hat stets selbst nach kleinen Vorwänden gesucht, andere Gruppen zu hassen. Hautfarbe, Sprache, sonderbar geformte Nasen, Religion oder irgend etwas anderes. Zu verschiedenen Zeiten sind hier viele Kriege geführt worden, und es hat große Gemetzel gegeben. Das ist jetzt selten – verlieren tun alle dabei. Also hält sich in der Regel jeder an sein eigenes Hex und kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten. Außerdem kommt der Faktor der Vereinbarkeit dazu. Könnten Sie sich wirklich mit einer drei Meter großen Haarspinne gut verstehen, die Lebendfleisch frißt, selbst wenn sie nebenbei Schach spielt und Orchestermusik liebt? Und – könnte eine Gesellschaft mit hoher Technologie ein Hex erobern, wo ihre Technologie nicht funktioniert? Auf diese Weise wird eine Art Gleichgewicht gewahrt – technologische Hexe erwerben notwendige Güter wie Lebensmittel von nicht-technologischen Farm-Hexagons, wo Anarchie herrscht und nur Schwerter wirksam sind. Und in manchen Hexagons gibt es natürlich recht tüchtige Zauberer – und ihre Sprüche wirken.«
»Ach, hören Sie«, sagte Hain angewidert. »Ich glaube ja viel – aber Magie? Unsinn!«
»Alles, was Magie bedeutet, ist eine Grenzlinie zwischen Wissen und Unwissenheit«, gab Ortega zurück. »Ein Magier ist jemand, der etwas kann, das man selbst nicht kann. Für einen Primitiven ist etwa alle Technologie Zauberei. Vergessen Sie nicht, das ist eine sehr alte Welt, und ihre Bewohner unterscheiden sich von allem, was Sie kennen. Wenn Sie – irgend jemand von Ihnen – den Fehler machen, Ihre eigenen Maßstäbe, eigene Regeln, eigene Vorurteile auf irgend etwas davon anzuwenden, haben Sie keine Chance.«
»Können Sie mich über die allgemeine politische Lage informieren, Serge?« fragte Brazil. »Ich möchte weit mehr wissen, bevor ich da hinausgehe.«
»Nate, das schaffe ich in einer Million Jahren nicht. Wie bei jedem Planeten mit einer hohen Zahl von Ländern und gesellschaftlichen Systemen ist alles ständig im Fluß. Die Bedingungen ändern sich, ebenso die Machthaber. Sie werden im Lauf der Zeit alles lernen müssen. Ich kann nur sagen, daß es eine Menge kleiner Auseinandersetzungen gibt und große Konflikte ausbrechen würden, wenn irgendeine Seite einen Weg finden würde, sich durchzusetzen. Vor ungefähr tausend Jahren hat ein General mehr als sechzig Hexagons erobert. Aber am Ende scheiterte er an der Notwendigkeit langer Nachschublinien und an seiner Unfähigkeit, einige nicht vereinbare Hexagons in seinem Rücken zu unterdrücken, die ihn schließlich von hinten aufrollten. Hier wird jetzt alles eher mit Biegen als mit Brechen gemacht.«
»Meine Linie«, sagte Hain leise.
»Und jetzt müßt ihr gehen«, schloß Ortega. »Ich kann euch nicht länger als einen Tag hierbehalten und das vor meiner Regierung rechtfertigen. Ihr könnt ohnehin nicht auf unbestimmte Zeit aufschieben hinauszugehen.«
»Aber es müssen doch noch viel mehr Fragen beantwortet werden«, sagte Vardia. »Klima, Jahreszeiten, Tausende von entscheidenden Einzelheiten.«
»Was das Klima angeht, so unterscheidet es sich von einem Hex zum anderen, hat aber keinen Zusammenhang mit der geographischen Lage«, erklärte Ortega. »Das Klima wird in jedem Fall vom Gehirn bestimmt. Überall auf dem Globus herrscht genau fünfzig Prozent jedes vollen Tages Tageslicht. Die Tage liegen innerhalb weniger Stunden im Standard, so daß es vierzehnundeinachtel Standard-Tagesstunden und ebensoviele Nachtstunden gibt. Die Achse ist genau senkrecht
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