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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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die in seinem Hirn herumspukten, und überhaupt zum ersten Mal, seit er in London war, fühlte der Kommissar in sich eine seltsame Ruhe. Einmal erschrak er, als ein Zucken seinen Körper durchfuhr. Dann merkte Eschenbach, dass auch er für eine Weile eingeschlafen war.
    Auf dem Rückweg fielen ihm zwei Männer auf. Sie trugen
dunkle Straßenkleidung und folgten ihnen. Nie kamen sie zu nah – und doch standen sie immer so, dass sie sie beide von zwei Seiten in Schach hielten.
    »Die gehören zu mir«, sagte Lara, die seine Irritation bemerkte. »Ein Kompromiss, dass man mich überhaupt aus der Klinik lässt … Paresh, du kennst ihn ja. Er dreht am Rad seit dem … Unfall. Hast du sie wirklich erst jetzt gesehen? Ich dachte, du wärst ein ausgefuchster Hund. Das hat mir jedenfalls der Kronenberger gesagt.« Sie schaute ihn streng von der Seite an und lächelte, als sie seine Nervosität bemerkte.
    Am Abend trafen sie sich im Hotel zum Essen, und am nächsten Morgen zog Eschenbach vom Regency in ein kleines Hotel an der Cramer Street. Eine Empfehlung von Paresh Singh.
    Jagmetti war erstaunt, als er hörte, dass Kronenberger mitden Koleggers unter einer Decke steckte. Jedenfalls, was die Entführung des Jungen aus dem Heim anging. Auf Eschenbachs Aufforderung, Latscho nochmals zu befragen, reagierte der Bündner gereizt: »Natürlich könnten wir den Kleinen auch foltern, damit er endlich etwas sagt.«
    Eschenbach legte auf. Von Lenz sagte er nichts.
    In einer kleinen Buchhandlung bei der Westminster University kaufte der Kommissar ein Notizbuch; schwarz, mit Gummiband und mit feinen Linien auf den Seiten, zwischen denen er ein wenig später in einem Café seine Gedanken festhielt.
    Es war die Adoption von Charlotte, zu der es keinerlei Dokumente oder Informationen gab. Die Tatsache, dass Laras Schwester vor neun Jahren einfach verschwand. Wer war der Vater vom Kleinen, und welche Rolle spielte die FIFA ? Und natürlich war es die Akte, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Wenn es sie wirklich gab, wo war sie? Eschenbach musste an Lara dranbleiben, ihr Vertrauen gewinnen. Vielleicht fanden sie ja etwas, das ihn weiterbrachte.
    Der Kommissar dachte an die Szene auf der Parkbank am Tag zuvor, und daran, wie sie sich abends, beim Essen, nähergekommen waren. Diesmal ohne Mr Singh und mit Sicherheitsleuten, die nicht im Restaurant, sondern draußen vor der Türe postiert gewesen waren.
    Eschenbach hatte ihr von Kathrin erzählt, dass er sich Sorgen machte und sie vermisste.
    »Ich habe keine Familie mehr«, war Laras traurige Antwort gewesen, und der Kommissar hatte daraufhin seine Hände auf ihre gelegt.
    Vermutlich war es die Einsamkeit, die sie so nahe zueinandertrieb, dachte der Kommissar. Und er ertappte sich dabei, dass ihm diese Nähe gefiel. Nicht dass er sich verliebt hätte, das war es nicht. Laras Unfall, die irreparablen Verletzungen, die sie davongetragen hatte. Ihre Verzweiflung. Der Kommissar wurdedas Gefühl nicht los, dass sich Lara zum ersten Mal überhaupt jemandem öffnete. Und so seltsam es Eschenbach anmutete, dieser Jemand war er.
    Kurz vor Mittag rief Eschenbach Ewald Lenz an und diktierte dem Alten, was er herausgefunden hatte. Über die Sache mit Laras Vater verlor der Kommissar kein Wort. »Konzentrier dich auf die Adoptionen in den Jahren 1956 bis ’ 64 «, sagte er. »Die Eltern haben damals in der Schweiz gelebt … in Feldmeilen. Da müsste doch was zu finden sein. Und was Latscho betrifft: Vermutlich fällt er in die Zeit ihres Verschwindens vor neun Jahren. Da suchen wir noch einen geeigneten Vater.«
    »Wenn’s eine Geburtsurkunde gibt, dann finde ich sie«, erwiderte Lenz nicht ohne Zuversicht. »Aber sag mal, wie viele Gefallen schulde ich dir eigentlich noch? Du erinnerst dich,
dass ich pensioniert bin und Kobler dich eigentlich suspendiert hat.«
    Um zwölf rief Lara an. »Im Regent’s Park feiert sich der Frühling«, sagte sie. Und weil die grüne Oase nur ein paar Minuten von Eschenbachs kleinem Hotel entfernt war und das Princess Grace ebenfalls nur um die Ecke lag, trafen sie sich eine Stunde später beim York Gate und schlenderten, wie schon am Tag zuvor, durch die einstigen Jagdreviere von König Henry (dem Achten).
    Eschenbach hatte sich an die beiden Schatten gewöhnt, die ihnen auf Schritt und Tritt folgten. »Wie heißen die eigentlich?«, wollte der Kommissar wissen.
    Lara zuckte die Schultern, und als sie im Garden Café einen Marschhalt einlegten, amüsierte sie

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