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Second Face

Second Face

Titel: Second Face Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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Sonnenuntergang?«, fragt er.
    Marie nickt.
    «Mariiie? Wo steckst du?«
    »Mariiie, wir sind wieder daaa!«
    Es gibt Momente, da hasst sie ihre Familie.
    »Bis Freitag!« Sie schaut ihm nach, wie er langsam davonreitet, sich noch einmal umdreht und winkt. Und dann ist er verschwunden. Sie hat noch nicht einmal seine Handynummer. Über all den Göttern und den Sternen hat sie esvergessen. Aber sie weiß ja, wo er arbeitet. Und der nächste Freitag kommt bestimmt, wenn auch das Warten schrecklich werden wird.
    Im Haus sitzen alle schon am Esstisch und warten auf Marie. Sie kommt fröhlich hüpfend herein, umarmt die Eltern.
    »Wo warst du den ganzen Tag? Ich habe mehrmals angerufen«, wird sie von der Mutter vorwurfsvoll begrüßt. »Lina hat gesagt, du bist mit dem Pferd unterwegs. Kind, du musst dein Handy einschalten!«
    Marie beamt einen Gedankenkuss an Lina. Sie hat den Eltern offenbar nicht gesagt, dass Marie das ganze Wochenende mit einem jungen Mann unterwegs gewesen ist. Das werden sie noch früh genug erfahren, wenn Lirim am nächsten Wochenende kommt.
    »Das Wetter war traumhaft, und überhaupt. Die ganze Insel … sie ist wunderschön. Und die Sonne geht genau hinter Hiddensee unter. Wusstet ihr, dass da ein Schatz vergraben ist? Und Puk ist geboren, ich war die ganze Nacht dabei … und die Nachgeburt hängen sie in den Baum …«
    »Okay. Nun komm mal wieder runter«, unterbricht der Vater und lächelt sie müde an. »Du hattest offenbar ein tolles Wochenende. Wenigstens einer von uns hat sich gut amüsiert.«
    Erst in diesem Moment fällt Marie auf, wie still Anne am Tisch sitzt. Ihre Haare sind verwuschelt, ihre Augen verheult.
    »Was ist los? Anne, warum weinst du?«
    Da steht Anne auf und läuft nach oben. Ihre Zimmertür fällt mit einem Knall zu.
    Marie schaut ihre Eltern erschrocken an.
    »Da ist irgendwas mit diesem Kai passiert«, sagt die Mutter etwas ratlos. »Erinnerst du dich, dieser nette Junge, der ein paarmal bei uns war? Aber was genau passiert ist, wollte sie nicht sagen.«
    »Kai? Aber was hat Anne bei Kai gemacht? Sie sind doch nicht mehr zusammen.«
    »Na ja, so ganz durchschaue ich das auch nicht«, sagt die Mutter und runzelt die Stirn. »Sie hat gestern Abend in der Disco Valerie getroffen und so eine Paula. Und die haben ihr was von einer Liste erzählt, auf der Anne steht und die in der Schule rumgeht. Jedenfalls hat sie die ganze Nacht geweint.«
    Diese verfluchte Liste! So ein Pech, dass Anne ausgerechnet Paula und Valerie über den Weg laufen muss. Warum haben sie nicht einfach den Mund gehalten?
    Der Vater gähnt laut. »Tu mir einen Gefallen und kümmere dich um deine Schwester. Wir sind mit unserem Latein am Ende.«
    »Du kannst sie jetzt wohl am besten trösten«, meint auch die Mutter.
    Genau das bezweifelt Marie. Ausgerechnet heute ist sie nicht die richtige Trösterin für jemand mit Weltuntergangsstimmung. Heute möchte sie nur jubeln, alle Welt umarmen, aber nicht trauern, nicht wütend sein, nicht darüber reden, wie schnell eine Beziehung zu Ende gehen kann. Daran will sie gar nicht denken. Sie hat soeben erst einen Stern geschenkt bekommen.
    Marie setzt sich zu Anne ans Bett und streichelt ihr mitleidig über den Rücken. Arme Anne! Sie war gerade dabei, die ganze Geschichte zu vergessen.
    Anne dreht ihr das verheulte Gesicht zu. »Warum hat er das gemacht?« Vor Schluchzen kann sie kaum sprechen. »Er hat gesagt, dass er mich liebt … und dass … «
    »Aber warum bist du mit ihm …? Du weißt schon, an dem Abend …?« Zum ersten Mal traut Marie sich, diese Frage zu stellen.
    »Ich wollte erst doch gar nicht, aber als er hörte, dass ich vielleicht nach Ummanz gehe, hat er gesagt, damit ein festesBand zwischen uns … also damit wir wissen, dass wir zusammengehören … verstehst du? Ich wollte ihn doch nicht verlieren ... Und am nächsten Tag hat er einfach Schluss gemacht …« Als Annes Schluchzen so heftig wird, dass sie nicht weiterreden kann, nimmt Marie sie in den Arm und wiegt sie wie ein kleines Kind.
    »Paula hat recht! Er hat mich benutzt. Ich war nur ein Name auf seiner Liste … Er hat gewettet! Wie eklig ist das denn? Ich hasse ihn!«
    Ob Lirim auch so etwas tun würde? Marie schüttelt diesen Gedanken ganz schnell weg. Lirim ist ganz anders als Kai. Lirim ist … Er ist so …
    Als Anne immer noch schluchzend ihre Hand sucht und festhält, verdrängt Marie alle Gedanken an Lirim, kriecht zu ihrer Schwester ins Bett und hält sie umarmt, bis

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