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Second Face

Second Face

Titel: Second Face Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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reitet sie am Strand entlang weiter bis zum Jugenddorf, hört die fröhlichen Stimmen im Hof und im Wasser und hofft, Lirim so ganz zufällig über den Weg zu laufen. Aber der scheint Innendienst zu haben.
    Auch als sie Svantevit im Zeitlupentempo, Huf für Huf, am Haus vorbeilaufen lässt, ist kein Lirim zu sehen.
    Sie ärgert sich furchtbar, dass sie seine Handynummer nicht hat. Wie kann man nur so dumm sein, vor lauter Sternenromantikdie wichtigsten technischen Hilfsmittel für eine Beziehung zu vergessen?
    So bleibt ihr nur der Stern im Großen Wagen. Nacht für Nacht steht sie dort und schaut nach oben, schickt ihre ganze Sehnsucht hinauf zu den Sternen.
    Anne dagegen scheint den letzten Rest von Sehnsucht nach den schönen Stunden mit Kai begraben zu haben, sie hat nun ihrerseits ein Häkchen hinter seinen Namen gemacht. Sie erwähnt ihn mit keinem Wort mehr, und als eine ihrer Freundinnen bei Facebook ihr berichtet, dass Kai auch mit seiner neuen Freundin Schluss gemacht hat, schreibt sie nur zurück: »Was interessiert mich der Schiet von gestern?«
    Und so scheint es wirklich: Nach dem Surfkurs sieht man sie mit den anderen zusammen lachen und herumalbern. Sie ist wie früher der strahlende Mittelpunkt.
    Nur Marie, die jede Geste ihrer Schwester wie ihre eigenen kennt, weiß, wie sehr sie immer noch verletzt ist. Nur Marie fallen die verstohlenen Blicke voller Sehnsucht auf, wenn Anne zuschauen muss, wie sich ein Pärchen umarmt oder zärtlich küsst. Dann wendet sie sich ab, und Marie beobachtet, wie sie die Zähne zusammenbeißt. Aber schon kurze Zeit später flirtet Anne wieder dem nächsten Jungen.
    Ab Donnerstag ist abends Disco im Camp. Anne lässt keinen Abend aus. »Komm doch mit. Da sind heute auch die Jungs aus dem Jugenddorf«, versucht sie ihre Schwester zu überreden.
    Für einen Moment schwankt Marie. Ob Lirim auch da ist? Aber der wird, wenn überhaupt, als Aufsicht dabei sein und keine Zeit für sie haben. Also wartet sie lieber bis morgen, dann hat sie ihn für sich alleine.
    Als Anne am nächsten Morgen zum Frühstück erscheint, ist sie richtig gut drauf. »Du, ich hab einen Typen kennengelernt, das glaubst du nicht.«
    Der Vater schaut stirnrunzelnd von seiner Zeitung auf. »Vielleicht wartest du erst mal ein wenig, bevor du dich ins nächste Beziehungsabenteuer stürzt. Ich hab keine Lust auf die nächste Krise.«
    Anne lacht. »Keine Sorge, Paps. Ich habe nicht vor, mich zu verlieben. Ich spiele nur rum.«
    Jetzt wird auch die Mutter aufmerksam. »Wie ›rumspielen‹? Was heißt das denn?«
    Anne lacht. »Man tut so, als sei man verliebt in einen Jungen. Und wenn der dann anbeißt, schickt man ihn in die Wüste und holt sich den nächsten. Auch wir Mädchen können die Jungs verarschen.«
    Verblüfftes Schweigen am Tisch. Der Vater erholt sich als Erster: »Ja sag mal! Bist du jetzt ganz durchgeknallt?«
    »Herbert! Doch nicht in diesem Ton!«
    »Genau darum geht es doch. Um den Ton, den guten nämlich! Deine Tochter ist dabei, jeden Maßstab für gutes Benehmen zu verlieren. Und da darf ich mich nicht mal aufregen?« Er wendet sich wieder Anne zu, die fröhlich an ihrem Müsli knabbert. »Also, mein Fräulein, bei allem Verständnis, ich erwarte, dass du dich nicht wie die letzte Schlampe aufführst!«
    »Herbert!!!«
    »Ist doch wahr. Herumspielen! Irgendwo gibt’s ja dann doch noch Grenzen!« Er knallt seine Zeitung auf den Tisch und verlässt den Raum.
    »Auch ich bin nicht glücklich über deine Formulierung«, sagt die Mutter zu Anne. »Aber ich weiß, du meinst das nicht so.«
    Anne schweigt. Auf ihrem Gesicht liegt ein trotziger Ausdruck, den sowohl Marie als auch die Mutter aus langer Erfahrung richtig interpretieren: Anne meint genau das, was sie gesagt hat.
    Als die Zwillinge den Raum verlassen wollen, um ihreSchulsachen zu holen, hält die Mutter Marie zurück. »Ich mache mir große Sorgen. Du hast doch ein Auge auf deine Schwester? Denk nur daran, wie fertig sie war wegen dieser Kai-Sache. Du musst aufpassen, dass sie sich da nicht in was verrennt und es am Ende ein Unglück gibt.«
    Wie denn?, denkt Marie und seufzt. Immer soll sie die Aufpasserin spielen. Diesmal kann sie Anne ja sogar verstehen. Anne ist so verletzt, dass sie beschlossen hat, sich zu rächen. An allen Jungen, stellvertretend für Kai. Sie flirtet mit den Jungen, schmeichelt ihnen, und wenn sie angebissen haben, lässt sie sie am ausgestreckten Arm verhungern. »Fressen oder gefressen werden!« nennt

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