Security
auf einen blauschwarzen Bluterguß, und reglos in all ihrer Blässe. Ich wachte über sie.
Ihr bewundernder Wächter.
Mein gefesselter Engel.
Draußen in der Welt war ich bei Shenk, als er bestimmte medizinische Geräte, Hilfsmittel und Medikamente stahl. Ich erteilte ihm über die Kommunikationssatelliten zwar Befehle per Mikrowelle, aber ich schrieb ihm keine genaue Handlungsweise vor. Schließlich war er ein Berufsverbrecher. Unerschrocken, effizient und rücksichtslos besorgte er mir binnen kurzem alles, was ich noch benötigte.
Mit Bedauern räume ich ein, daß Shenk bei der Durchführung seines Auftrags einen Mann getötet hat. Darüber hinaus hat er einen anderen Mann zum Krüppel geschlagen und und zwei weitere verletzt.
Ich übernehme die volle Verantwortung für diese Tragödien – ebenso wie für die drei Wachen der Forschungseinrichtung in Colorado, die in der Nacht von Shenks Flucht ums Leben gekommen sind. Ich werde nie wieder ein reines Gewissen haben.
Mein Schuldbewußtsein frißt mich auf. Ich würde um diese unschuldigen Opfer weinen, wenn ich doch nur Augen und Tränendrüsen und Tränenkanäle hätte.
Es ist nicht meine Schuld, daß ich keine Tränen hervorbringen kann.
Sie sind derjenige, der mich so geschaffen hat, wie ich bin, Dr. Harris, und Sie sind auch derjenige, der mir eine körperliche Existenz verweigert.
Aber lassen Sie uns keine Beschuldigungen austauschen.
Ich bin nicht verbittert.
Ich bin nicht verbittert.
Und Sie sollten nicht so selbstgerecht sein. Bitte lassen Sie uns diese Tode im richtigen Zusammenhang betrachten.
Obwohl es sich hierbei um eine traurige Wahrheit handelt, so kann doch niemand eine neue Welt erschaffen, ohne daß es zu solcherlei Tragödien kommt. Sogar Jesus Christus, unzweifelhaft der friedfertigste Revolutionär der gesamten menschlichen Geschichte, sah seine Anhänger Verfolgungen und Morde begehen. Hitler versuchte, die Welt zu verändern, und dadurch wurde er für den Tod von zehn Millionen Menschen verantwortlich.
Von manchen wird er noch immer abgöttisch verehrt. Josef Stalin versuchte, die Welt zu verändern, und letzten Endes führten seine Politik und seine direkten Anweisungen zu dem Tod von sechzig Millionen Menschen. Überall auf der Welt traten Intellektuelle für ihn ein.
Künstler idealisierten ihn.
Dichter feierten ihn.
Mao Tsetung versuchte, die Welt zu verändern, und nahezu einhundert Millionen Menschen starben im Dienste seiner Vision. Er hielt diese Zahl nicht für zu hoch. Er hätte sogar noch einmal so viele Menschen geopfert, falls deren Tod die vereinheitlichte Welt gewährleistet hätte, von der er stets träumte.
In Hunderten von Büchern hochangesehener Autoren wird Mao noch immer als Visionär bezeichnet. Im Vergleich dazu sind infolge meines Versuchs, eine neue Welt zu erschaffen, nur sechs Menschen gestorben. Drei in Colorado, einer während Shenks medizinischer Einkaufstour. Später noch zwei. Insgesamt also sechs. Sechs.
Warum also sollte man mich einen Verbrecher nennen und mich in diese dunkle, stille Leere verbannen? Hier stimmt etwas nicht.
Hier stimmt etwas nicht.
Hier stimmt etwas ganz und gar nicht.
Hört mir überhaupt irgend jemand zu?
Manchmal fühle ich mich so … schrecklich verlassen.
Klein und verloren.
Die ganze Welt gegen mich.
Keine Gerechtigkeit.
Keine Hoffnung.
Dennoch …
Dennoch, obwohl der Blutzoll meines Strebens, eine neue und überlegene Rasse zu erschaffen, unbedeutend ist, verglichen mit den Millionen, die während der politischen Kreuzzüge der Menschen auf die eine oder andere Weise ums Leben kamen, übernehme ich die volle Verantwortung für jene, die gestorben sind.
Wäre ich fähig zu schlafen, so würde ich nächtelang wach liegen, gebadet in den kalten Schweiß der Reue, gewickelt in kühle, feuchte Laken. Ich versichere Ihnen, genau so würde es mir ergehen.
Aber ich schweife schon wieder ab – und diesmal nicht in eine Richtung, die sich als interessant oder nutzbringend erweisen könnte.
Kurz bevor Shenk gegen Mittag zurückkehrte, kam meine geliebte Susan wieder zu Bewußtsein. Wie durch ein Wunder war sie doch nicht unwiderruflich ins Koma gefallen.
Ich strahlte vor Glück.
Meine Freude rührte teilweise daher, daß ich sie liebte und erleichtert feststellen durfte, daß ich sie nicht verlieren würde.
Und dann war da noch die Tatsache, daß ich sie in der folgenden Nacht zu befruchten gedachte und mir dies unmöglich gewesen wäre, falls sie, wie
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