Seefeuer
führte. Das
hatte sie ganz schön Schweiß gekostet, denn um sich bei dieser Erkundung einen
unverfänglichen Anstrich zu geben, war sie gute zwei Stunden mit Ihren
Nordic-Walking-Stöcken durch den Wald gestapft. Sie musste jetzt noch lachen,
wenn sie daran zurückdachte.
So war sie bester Dinge, als sie bei der
Anschlussstelle Nußdorf die B31 verließ, gleich darauf in die erste
Seitenstraße mit dem lyrischen Namen »Zum Saibling« einbog und wenige Meter
weiter einen Fahrweg erreichte. Dieser führte nach der Unterquerung der B31
nordöstlich am Waldrand entlang, um schließlich, fernab jeder Straße und
Siedlung, in eine düstere Tannenschonung einzutauchen. Nach weiteren hundert
Metern – sie hatte die Fahrzeugbeleuchtung längst auf das Standlicht reduziert – stellte sie den Wagen am Wegrand ab, löschte alle Lichter, kramte
Taschenlampe und Diktiergerät aus dem Handschuhfach und steckte das Zeug in
ihre Umhängetasche. Lediglich ihre »Standardbewaffnung«, ein Pfefferspray,
behielt sie in der linken Hand – man konnte nie wissen!
Vorsichtig und ohne die mitgeführte Taschenlampe zu
benutzen, stapfte sie den gewundenen, leicht bergan führenden Waldweg entlang.
Trotz der frühen Abendstunde war es hier im Wald bereits völlig dunkel – dunkel
in einer Art, die einen kaum die Hand vor den Augen erkennen ließ. An jedem
anderen Tag hätte ihr das kalte Schauer über den Rücken gejagt. Doch heute
hatte sie das Jagdfieber gepackt. Weder störte sie die Dunkelheit noch der
Wind, der an Intensität stetig zunahm und das Geräusch der hin und wieder unter
ihren Füßen brechenden dürren Zweige etwas dämpfte.
Endlich, nach über einer halben Stunde behutsamen
Vorantastens auf dem holprigen, teils mit Brombeerranken überwachsenen Waldweg,
war ihr, als sehe sie vor sich einen schwachen Lichtschein. Sie erhöhte ihre
Wachsamkeit. Trotzdem erschrak sie bis ins Mark, als vor ihr plötzlich
Motorenlärm erscholl und gespenstisch auf und ab tanzende Scheinwerfer durch
das Blattwerk huschten.
Schon glaubte sie sich entdeckt, da kam der Wagen,
kaum fünfzehn Meter von ihr entfernt, zum Stehen. So gut es ging, suchte sie
hinter einem dicken Buchenstamm Deckung und versuchte, mit den Augen die
Dunkelheit zu durchdringen. Als die Scheinwerfer des Fahrzeugs erloschen, nahm
sie links davon schemenhaft einen größeren, in den Himmel wachsenden Schatten
wahr. Das musste die Jagdhütte sein.
Eine Autotür klappte, Schritte bewegten sich auf die
Hütte zu, einen Moment lang fiel fahles Licht auf eine Holzveranda. Dann
herrschte wieder Finsternis.
Karin hatte genug gesehen, um sich notdürftig
orientieren zu können. Ihr Plan war, an die Rückseite der Hütte zu gelangen,
sodass sie unbemerkt ins Innere spähen und möglichst viel von der Unterhaltung
mitbekommen konnte. Das würde nicht übermäßig schwer sein. Die Hütte stand, wie
sie wusste, ringsum frei, abgesehen von dem Brunnen links vor dem Eingang,
dessen Plätschern sie bis zu ihrem Standort hörte.
Gebückt schlich Karin den Weg in Richtung Hütte
weiter. Als sie die kleine Lichtung erreichte, umging sie den Brunnen und hielt
sich links, bis sie die Außenwand des Gebäudes ertasten konnte. Hinter der
Hütte war es ebenso dunkel wie davor, sämtliche Fenster waren verrammelt.
Allerdings waren die Holzläden leidlich zu erkennen.
Karin richtete sich auf. Sie hatte Dusel: Wenn sie
sich auf die Zehenspitzen stellte, könnte sie es schaffen, in das Innere der
Hütte zu spähen – vorausgesetzt, einer der Läden ließ sich einen Spalt weit
öffnen. Doch so weit wollte ihr das Glück dann doch nicht entgegenkommen: Der
erste Laden war innen verhakt und auch durch kräftiges Ziehen keinen Millimeter
zu bewegen. Wenigstens musste sie nicht befürchten, sich durch ein Geräusch zu
verraten, denn inzwischen schien drinnen eine hitzige Diskussion entbrannt zu
sein. Zwar drangen nur wenige Gesprächsfetzen heraus, doch der hohe Lärmpegel
reichte allemal aus, ein eventuell entstehendes Geräusch zu überdecken.
Karin probierte es an einer zweiten Stelle: wieder
umsonst. Mühsam unterdrückte sie einen Fluch. Auch der dritte Laden –
inzwischen war sie an der Seitenwand der Holzhütte angelangt – verhielt sich
anfangs störrisch wie seine Vorgänger, schien aber irgendwie ausgeleiert zu
sein. Tatsächlich ließ sich die Zuhaltung durch beharrliches Hin-und-Her-Ziehen
Millimeter um Millimeter lockern, bis sie schließlich überraschend nachgab. Nur
mit Mühe
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