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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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stand plötzlich Hajek in der Tür. Beide, Hajek und der Eindringling,
schienen gleichermaßen verblüfft.
    Hajek fasste sich als Erster. Blitzartig schloss er
die Tür und stürzte mit zwei, drei schnellen Schritten auf den Eindringling zu,
um ihm seine Beute zu entreißen. Der hielt mehrere Klarsichtbeutel in der Hand,
prall gefüllt mit irgendwelchen Tabletten. Verzweifelt drückte er seinen Fund
mit beiden Händen an die Brust, während der körperlich überlegene Hajek an den
Tüten zerrte. Es kam, wie es kommen musste: Einer der Beutel zerriss, und wie
ein Platzregen prasselte der Inhalt auf den Boden, kullerte über den Teppich
und unter die Möbel, rollte vereinzelt sogar bis an die Terrassentür heran.
    Als Philip registrierte, um was es sich handelte, war
er wie vom Donner gerührt. Fast zum Greifen nah, nur durch die Glastür von
seinem Versteck getrennt, war eine dieser achteckigen, pastellblauen Pillen zu
liegen gekommen. Wie Feuermale brannten sich die darauf lesbaren Buchstaben in
sein Hirn und formten ein Wort, das seinen schlimmsten Verdacht bestätigte: CRYSTAL !
    ***
    Karin
hatte sich mit dem Eimer zur Hütte zurückgetastet und ihn unter dem
ausgewählten Laden platziert. Dann hatte sie sich vorsichtig daraufgestellt und
einen ersten Blick durch den schmalen Schlitz in das Innere der Hütte gewagt.
    Was sie sah, war nicht gerade aufregend: Von ihrem
Standpunkt aus blickte sie, über zwei Hinterköpfe mit mehr oder weniger
schütterem Haarwuchs hinweg, auf einen gewaltigen, den Raum beherrschenden
Eichentisch. Auf der gegenüberliegenden Seite saßen neben Pohl und dem Winzer
Höflich zwei weitere Männer, die ihr bekannt vorkamen, deren Namen ihr im
Augenblick aber nicht einfallen wollten. Die anderen Teilnehmer der Runde
befanden sich außerhalb ihres Blickfelds. Es wurde geraucht, auf dem Tisch
standen mehrere Flaschen und Gläser, den Getränken wurde offenbar reichlich
zugesprochen.
    »Also, wie verhalten wir uns am Tag X?«, fragte einer,
den Karin nicht sehen konnte.
    »Genau!«, echote ein anderer. »Morgen ist Zahltag!
Aber ohne mich, meine Herren! Ohne mich!«
    Die Frage hatte eine laute Debatte losgetreten, der
Pohl schließlich durch Handheben ein Ende machte. Augenblicklich trat Stille
ein. »Ich denke auch, dass wir nicht zahlen sollten, sozusagen.«
    »Seid ihr jetzt völlig verrückt geworden?«, rief einer
dazwischen. »Wenn so ein Video erst mal kursiert, können wir allesamt
einpacken. Das wäre tödlich, wäre das.«
    »Du verkennst, dass sich das Blatt gewendet hat«,
beschied ihn Pohl etwas von oben herab.
    »Gewendet? Was, bitte schön, soll sich gewendet
haben?«
    »Ganz einfach: Aus dem Jäger ist inzwischen ein
Gejagter geworden! Oder weshalb ist Hajek deiner Meinung nach untergetaucht?
Der Mann ist durch den Anschlag auf unseren Freund Herwig Trost ins Fadenkreuz
der Ermittler geraten. Ich denke, der hat jetzt Wichtigeres zu tun, als uns
abzukassieren, sozusagen.«
    »Hajek hat bekanntlich nicht allein operiert«, gab ein
anderer aus der Runde zu bedenken.
    Karin Winter presste das rechte Ohr an den Spalt
zwischen Laden und Hüttenwand. Pohl war aufgestanden und aus ihrem Blickfeld
getreten, dabei war seine Stimme beinahe unverständlich geworden. Ausgerechnet
jetzt, das durfte doch nicht wahr sein! Sie hielt den Atem an, um jeden
störenden Laut zu vermeiden, und horchte, aufs Äußerste gespannt, auf seine
Stimme.
    »Und? Einer von denen ist auf dem Kahn verbrannt. Den
dritten können wir getrost als Handlanger einstufen. Ohne Hajek ist der …«
    Unvermittelt fühlte sich Karin von hinten umklammert.
Eine Hand legte sich auf ihren Mund, starke Arme pressten ihr die Luft aus den
Lungen und hoben sie von ihrem Hochstand herunter. Gleichzeitig flüsterte eine
heisere Stimme in ihr Ohr: »Schön ruhig bleiben, Junge, dann passiert dir
nichts! Und jetzt ganz langsam umdrehen.« Tatsächlich ließ der Druck der
kräftigen Arme etwas nach, sodass sie eine halbe Drehung vollziehen konnte.
Dann wurde sie vom Licht einer starken Lampe geblendet.
    »Sieh an, wen haben wir denn da?«, rief der Mann mit
der heiseren Stimme erstaunt.
    Verzweifelt versuchte Karin, das Blatt zu wenden.
»Hören Sie, lassen Sie uns zusammenarbeiten«, stieß sie mit gedämpfter Stimme
hervor. Intuitiv hatte sie angenommen, bei dem Unbekannten müsse es sich um
einen Gleichgesinnten handeln, einen, der wie sie die Runde belauschen wollte
und dem sie in die Quere gekommen war – eine gänzlich falsche

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