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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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konnte Karin verhindern, dass das schwere Holzteil ihrer Hand entglitt
und ganz aufschwang, was ziemlich sicher zu ihrer Entdeckung geführt hätte.
    Erleichtert stieß sie die angehaltene Luft aus. Eine
weitere Klippe war umschifft. Nun folgte der spannendste Teil des Unternehmens:
Würde sie von ihrem Standpunkt aus sehen können, was in der Hütte vor sich
ging? Rein akustisch betrachtet, hatte sich ihre Lage durch den leicht
geöffneten Laden jedenfalls deutlich verbessert: Fast mühelos konnte sie der
erregten Debatte folgen. Doch wem gehörten die Stimmen?
    Vorsichtig schob sie sich an der Wand hoch und
versuchte, einen Blick in das Innere der Hütte zu werfen. Doch es reichte
nicht. Selbst wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, sah sie allenfalls
die Wände und die Decke des hell erleuchteten, rauchgeschwängerten Innenraums.
Sollten ihre Anstrengungen etwa umsonst gewesen sein – wegen fehlender zehn
Zentimeter? Sie zermarterte sich das Hirn: Wo sollte sie etwas zum Draufstellen
herbekommen? Auf der Terrasse hatte sie Stühle gesehen. Nein, das war zu riskant,
allenfalls eine letzte Option. Doch hatte sie eine andere?
    Der Brunnen fiel ihr ein. Vielleicht gab es dort einen
Wassereimer, den sie benutzen konnte. Sie drückte den Laden provisorisch wieder
zu und schlich vorsichtig an der Hüttenwand entlang, direkt auf das Plätschern
zu. Und wirklich: Ganz in der Nähe des Wasserauslaufs ertastete sie auf dem
Boden ein stabiles Blechgefäß. Karin frohlockte – doch sie hatte sich zu früh
gefreut. Genau in diesem Moment schwang die Hüttentür auf, eine Männergestalt
trat heraus und lief zu einem der Autos hinüber. Ohne lange nachzudenken, warf
sich Karin vor dem Brunnentrog flach auf die Erde; mit etwas Glück konnte sie
so vom Lichtkegel nicht erfasst werden. Tatsächlich sah der Mann weder nach
rechts noch nach links, offenbar hatte er es eilig, in die Hütte
zurückzukehren. Augenblicke später herrschte wieder absolute Finsternis.
    ***
    Philip
kauerte hinter einem der Terrakottakübel und hielt die Luft an. Angespannt
versuchte er, einen Blick in das Innere der Wohnung zu werfen. Für einen Moment
glomm ein schwacher Lichtschein auf. Hajek musste die Wohnung betreten haben –
aber merkwürdigerweise blieb alles dunkel. Was hatte das zu bedeuten? Philips
Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Er konnte sich absolut keinen Reim
darauf machen, warum Hajek in seiner eigenen Wohnung im Dunkeln hantierte.
Jeden Moment erwartete er, dass sein Lehrer das Wohnzimmer betrat und ihn
entdeckte. Er hörte, wie die Zimmertür geöffnet wurde. Doch was war das?
Anstatt den Lichtschalter zu betätigen, leuchtete die schemenhafte Gestalt, die
den Raum betreten hatte, mit einer Taschenlampe vor sich her, deren Strahl in
langsamem Zickzack über den Boden glitt, suchend über Regale, Tisch und
Sitzmöbel kroch und schließlich an der Herrenkommode hängen blieb.
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Bei dem Eindringling
dort drüben konnte es sich schwerlich um Hajek handeln. Wenn er es recht
bedachte, war diese mickrige Figur dort drüben einen guten Kopf kleiner als
sein Lehrer, auch schien sie deutlich dünner, und überhaupt bewegte sich die
Gestalt ganz anders als Hajek.
    Welcher Film lief hier eigentlich ab? Philip, selbst
widerrechtlich in eine fremde Wohnung eingedrungen, wurde dort von einem
Unbekannten überrascht, der wie er selbst auf Beute aus war! Ihm blieb nichts
anderes übrig, als auf dieser windigen Terrasse auszuharren, bis der Unbekannte
wieder verschwand. Als dieser beim Durchqueren des Raumes an der Terrassentür
vorüberkam, warf er einen flüchtigen Blick nach draußen. Philip, der sich
seiner prekären Lage mehr als bewusst war, machte sich noch etwas kleiner als
zuvor, kroch förmlich in den vor ihm stehenden Terrakottakübel hinein. Erst als
er plötzlich das Schnappen des Schlosses vernahm, vergaß er jegliche Vorsicht.
Ruckartig hob er den Kopf, doch da war es bereits zu spät: Die Tür war
geschlossen, das Schloss eingeschnappt. Offensichtlich hatte den Eindringling
die angelehnte Tür gestört – und Philip ausgesperrt!
    Mit einem länglichen Werkzeug in der Hand machte sich
der Unbekannte daran, die Schubladen der Kommode aufzustemmen. Als ihm dies
nach mehreren Versuchen endlich gelang, flammte unvermittelt das Deckenlicht
auf – just so, als wäre beim Öffnen der Klappe ein eingebauter Lichtschalter
betätigt worden.
    Und als wäre damit die Überraschung noch nicht
komplett,

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