Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
er das Durcheinander, das
Hajek hinterlassen hatte. Aufräumen zählte offenbar nicht zu seinen Stärken.
    Im Wohnzimmer unter dem Fenster stand eine kleine
Herrenkommode. Philip kannte sich in den Stilrichtungen alter Möbel nicht
besonders aus, er tippte auf Biedermeier, konnte sich aber irren. Jedenfalls
war das Ding abgeschlossen, und er würde es nicht öffnen können, ohne die
Schubladen zu beschädigen.
    Angestrengt dachte Philip nach. Wo würde er an Hajeks
Stelle etwas verstecken, etwas, das unter keinen Umständen in fremde Hände
gelangen durfte? Schlafzimmer und Flure? Fehlanzeige. Die Terrasse? Zu sehr der
Witterung ausgesetzt. Die Küche? Offen und überschaubar, eine einzige
Enttäuschung, was Verstecke anbetraf. Selbst die Schranksockel hatten sich als
Fehlschlag erwiesen.
    Philip ging erneut ins Arbeitszimmer. Wenn diese
Wohnung ein Geheimnis barg, dann in diesem Raum. Den Schrank und die Regale
hatte er zuvor bereits gefilzt. Nun nahm er sich die Bücher vor, sah hinter
Bilder und sogar unter den Teppich – umsonst.
    Blieb nur noch die verschlossene Herrenkommode. Auf
dem Weg dorthin passierte er Hajeks Schreibtisch, dabei blieb sein Blick am
Papierkorb hängen. Warum nicht, dachte Philip, einen Versuch wäre es wert. Er
musste daran denken, wie unbekümmert er selbst mit seinen Konzepten und
Entwürfen umging: Außer der letzten Fassung flog das meiste in den Papierkorb,
im besten Falle zerriss er die Blätter ein- oder zweimal. Sollte Hajek ebenso
nachlässig verfahren, bestand noch ein Fünkchen Hoffnung!
    Der Behälter war fast bis zum Rand mit
zusammengeknülltem Papier gefüllt. Philip stieß hörbar die Luft aus – es würde
eine Weile dauern, das durchzusehen. Zunehmend verließ ihn der Mut, mit jeder
Minute wurde er sich seines sträflichen Tuns bewusster. Mehrfach schon hatte er
sich vorgestellt, wie Hajek aus dem Aufzug trat, die wenigen Schritte zur
Wohnungstür ging, den Schlüssel ins Schloss steckte. Wie die Lichter
aufflammten und ihn, den bis dato unbescholtenen Internatsschüler Philip Reich,
als gemeinen Einbrecher entlarvten!
    Langsam gewann sein Verstand wieder die Oberhand. Auf
diese zwei Minuten kam es nun auch nicht mehr an! Er bückte sich und begann,
einen Knäuel nach dem andern herauszunehmen, flüchtig glatt zu streichen und zu
überfliegen. Als ihm das zu lange dauerte, kippte er den Behälter kurzerhand
aus. Da es sich bisher fast ausnahmslos um Notizen, nichtssagende Anschreiben,
Kassenbelege, Zeitungsausrisse oder Werbeprospekte gehandelt hatte, sortierte
er von vornherein alle bunten Papiere aus. Übrig blieb ein kleines Häuflein
weißer Knäuel. Er strich den ersten davon glatt. Es handelte sich um einen
handschriftlich hingeworfenen Textentwurf von nur wenigen Zeilen, der offenbar
mehrfach überarbeitet und infolgedessen mit Durchstreichungen, Verbesserungen
und nochmaligen Änderungen versehen worden war.
    Er überflog den Text und wollte den Zettel bereits
beiseitelegen, als ihn etwas stutzen ließ. Täuschte er sich, oder ging es da um
eine Forderung? War es das, wonach er die ganze Zeit suchte? Noch einmal las er
den Text: Er hörte sich verdammt nach Erpressung an. Schlagartig wurde ihm die
Brisanz seines Fundes bewusst. Was er da in der Hand hielt, war in der Tat
höchst alarmierend!
    In diesem Augenblick vernahm Philip ein kaum
wahrnehmbares Geräusch. Es kam von der Tür. Irgendjemand machte sich draußen am
Schloss zu schaffen. Hajek!
    Aber wieso Hajek? Der hatte doch einen Schlüssel?
Plötzlich geriet Philip in Panik. Was sollte er tun? Den Papiermüll wieder in
den Behälter zurückzutun, dazu fehlte ihm die Zeit. In wenigen Augenblicken
würde das Licht aufflammen, Hajek würde ihn entgeistert anstarren, ehe er … ja,
ehe er was tun würde? Philip wagte nicht, es sich auszumalen. Hektisch sah er
sich um. Ihm blieb nur noch die Flucht hinüber ins Wohnzimmer und von da hinaus
auf die Terrasse. Kurz entschlossen öffnete er die Tür, schlüpfte hinaus und
schob die Tür von außen fast vollständig wieder zu. Dann kauerte er sich hinter
einen der zahlreich herumstehenden bepflanzten Terrakottakübel, die sich
schemenhaft gegen den Nachthimmel abzeichneten und ihm fürs Erste etwas Deckung
bieten würden.
    ***
    Karin
Winter war nahe dran, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Wieder einmal
hatte sich ihre Hartnäckigkeit bezahlt gemacht.
    Den ganzen Vormittag über hatte Karin vor Pohls
Kanzlei auf der Lauer gelegen. Als sein schwerer Mercedes –

Weitere Kostenlose Bücher