Seefeuer
das
täuschte: Wenn es darauf ankam, konnte er wieselflink sein.
Hape hingegen, rundherum austrainiert und ohne ein
Gramm Fett am Körper, war in allen Disziplinen vorne dabei. Er rang noch mit
sich, ob er nach dem Abi eher ein naturwissenschaftliches Studium oder
»vielleicht etwas mit Sport« machen sollte. Er war, wie Philip, ein erfahrener
Taucher und spielte leidenschaftlich gerne Basketball.
»Können wir reden?«, fragte Hape, nachdem er einen
oberflächlichen Blick in die Duschräume nebenan geworfen hatte.
»Es ist niemand hier, wenn du das meinst.«
»Gut. Wie sieht’s aus – bist du fündig geworden?«
»Kann man so sagen«, antwortete Philip und wischte
sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. »Aber ein zweites Mal
bringen mich da keine zehn Pferde hin. Bille liegt nur noch im Bett und heult
Rotz und Wasser, und Judith geht es nicht viel besser.«
Voller Unbehagen dachte er an den zurückliegenden
Besuch im Zimmer seiner Schwester, das sie mit zwei Mitschülerinnen geteilt
hatte. Die Schulleitung hatte ihm erlaubt, Tamaras Zimmer nach seiner
Tauchkladde zu durchsuchen, die er ihr angeblich einige Tage zuvor leihweise
überlassen hatte. Natürlich war das nur ein Vorwand gewesen. In Wirklichkeit
hatte er bei seinem Gespräch mit Hajek den Eindruck gewonnen, dass die Polizei
die Nachforschungen über den Tod seiner Schwester wohl kaum mit dem erforderlichen
Nachdruck betreiben würde. Darin war er sich mit seinen Freunden einig gewesen.
Aus diesem Grund hatten sie beschlossen, eigene Nachforschungen anzustellen.
Philip hatte gehofft, in den Privatsachen seiner
Schwester Hinweise zu finden, die ihm ihr verändertes Verhalten in den letzten
Wochen hinreichend erklären und vor allem den schlimmen Verdacht auf
Drogenkonsum aus der Welt schaffen könnten. Für seine Eltern würde eine Welt
zusammenbrechen, wenn sie davon erfuhren. Doch außer einigen sündhaft teuren Kleidungsstücken
in Tamaras Schrank, die sie sich unmöglich von ihrem knappen Taschengeld
gekauft haben konnte, war ihm nichts aufgefallen. Kein Hinweis auf Drogen,
keine Briefe, keine verdächtigen Notizen. Immerhin hatte er Tammys
Taschenkalender auf ihrem Schreibtisch gefunden. Verstohlen hatte er ihn
eingesteckt und anschließend ebenso unauffällig die Kladde aus seiner
Brusttasche gezogen, um mit einem Ausruf der Erleichterung zu verkünden, das
gute Stück endlich gefunden zu haben. Doch Bille und Judith hatten nur umso
lauter geheult, sodass er möglichst schnell das Weite gesucht hatte. Vorher
hatte er Bille noch einen Zettel zugesteckt, den sie aber lediglich mit einem
verständnislosen Blick aus tränenumflorten Augen quittiert hatte.
Philip stand auf und holte den Kalender.
»Was soll das sein?«, fragte Doc, als ihm Philip das
kleine, poppig bunte Büchlein reichte.
»Tammys Kalender. Vielleicht auch so was wie ihr
Tagebuch. Versuch, ob du ihren Code knacken kannst.«
»Wenn nicht er, wer dann?«, brummte Hape.
Doc schlug den Kalender auf, blätterte bedächtig Seite
für Seite um, verweilte mal hier, mal da, kratzte sich zuweilen nachdenklich
hinter dem Ohr, blieb jedoch die ganze Zeit über stumm. Endlich hob er den
Blick und stellte fest: »Das meiste scheint belangloses Zeug zu sein,
wenigstens auf den ersten Blick … sie hat viel mit Abkürzungen gearbeitet;
schwierig zu entschlüsseln, das braucht Zeit … Hier stehen einige
Telefonnummern …«
»Die hab ich schon durchprobiert«, warf Philip
dazwischen. »Die meisten sind von Leuten aus der Schule. Bis auf die letzte.
Eine Mobilfunknummer.« Er reichte Doc sein Handy. »Ruf an!«, forderte er ihn
auf.
Doc wählte die Nummer. Einige Sekunden vergingen, dann
drückte er die Austaste.
»Und, wer war am Rohr?«, fragte Philip müde.
»Ein gewisser Weselowski.«
»Weselowski? Noch nie gehört. Wer soll das sein?«,
meldete sich Hape.
»Musste mich auch erst schlaumachen«, erklärte Philip.
»Weselowski, genauer gesagt Professor Dr. Weselowski ist Arzt und leitet die
Bodan-Klinik. Angeblich macht er damit Geld wie Heu.«
Doc nahm seine Brille ab, hauchte die Gläser an und
wischte sie mit einem Papiertuch sauber. Er saß in einem der wuchtigen
Butterflygeräte und wirkte darin seltsam verloren.
»Was hatte Tammy mit diesem Kerl am Hut?«, grübelte
Hape laut vor sich hin.
»Ihr hat nie was gefehlt, ich meine, gesundheitlich.
Seltsam, nicht?« Auch Philip war nachdenklich geworden. »Aber das ist nur eine
Frage von vielen. Vielleicht kann uns
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