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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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erhobener
Faust drang er auf das Frettchen ein, schlug zu, einmal, zweimal …
    »Was ist denn hier los?«, tönte in diesem Augenblick
eine helle Mädchenstimme vom Eingang her. Bille! Philip ließ seine Faust sinken
und sah irritiert hinüber.
    »Gut, dass du kommst, Bille«, rief Hape, der sich als
Erster gefangen hatte. »Denk dir nichts dabei, nur eine kleine
Meinungsverschiedenheit, stimmt’s, Olaf?« Dabei zog er diesem das Hemd gerade
und wischte ein paar imaginäre Staubkörner von seiner Brust. »Du wolltest
sowieso gerade gehen, Olaf, richtig?« Mit diesen Worten hievte er den
Gebeutelten aus dem Gerät und eskortierte ihn zum Ausgang.
    Hape ging Bille entgegen, um sie zu begrüßen. Als er
sie wie üblich auf die Wange küssen wollte, wandte sie sich reserviert ab, als
wäre ihr diese Geste zuwider. Solche Anwandlungen waren neu an ihr, ganz
offensichtlich lagen ihre Nerven blank.
    Sie setzte sich im Schneidersitz auf eine der
herumliegenden Turnmatten. Ihre Augen waren nur notdürftig getuscht, die Nase vom
ständigen Heulen rot. Tammys Tod schien sie total aus der Bahn geworfen zu
haben.
    »Danke, Bille, dass du gekommen bist«, sagte Philip
sanft und ließ sich in gebührendem Abstand ihr gegenüber nieder. Hape spielte
im Stehen mit einer der kleinen Hanteln, und Doc sah wie unbeteiligt zum
Fenster hinaus – gerade so, als gehörten sie nicht dazu.
    »Wir haben uns über Tammy unterhalten, ehe du kamst«,
fuhr Philip fort.
    »Mit Olaf?« Nur mit Mühe konnte sie ein Schluchzen
unterdrücken.
    »Natürlich nicht. Olaf hatte sich unbemerkt in den
Toiletten aufgehalten. Wahrscheinlich hat er uns belauscht, deshalb sind wir
zusammengerasselt.«
    Irgendetwas an dem Satz schien sie aus ihrer Lethargie
zu reißen. Sie wirkte plötzlich weniger apathisch, ohne jedoch näher auf
Philips Erklärung einzugehen.
    »Uns geht’s nicht anders als dir. Die Sache macht uns
fertig.« Philip legte eine kurze Pause ein. »Da haben wir uns gefragt, ob du
uns vielleicht helfen kannst. Es kann einfach nicht sein, was in dem Artikel
vom ›Seekurier‹ steht. Es würde nicht zu Tammy passen. Ich meine, das mit dem
Rauschgift und so, ganz zu schweigen von diesen … diesen Anspielungen auf
gewisse Sexabenteuer, du weißt schon …«
    Schneller, als es ihr Zustand hatte erwarten lassen,
war Bille auf den Beinen und lief heulend Richtung Ausgang. Aus ihrer Jacke
fischte sie ein Taschentuch, während sie der Tür zustrebte.
    Ihr Abgang traf die drei völlig unvorbereitet. Mit
allem hatten sie gerechnet, nur nicht damit, dass bereits die erste Frage, noch
dazu eine harmlose, Bille dermaßen umwerfen würde. Philip, der ebenfalls
aufgesprungen war, starrte ihr entgeistert nach; auch Hape war zu überrascht,
um sie aufzuhalten.
    Diesmal war es Doc, der die Situation rettete. »Was
lief da eigentlich mit Weselowski?«, rief er ihr nach.
    Die Überraschung war perfekt. Wie weiland Lots Weib
erstarrte Bille zur Salzsäule, blieb sekundenlang unbeweglich stehen. Endlich
fielen ihre Arme nach unten, wie in Zeitlupe drehte sie sich um, kam zurück und
ließ sich erneut auf der Matte nieder. »Entschuldigt bitte«, hauchte sie.
    Von nun an nahm Doc die Befragung in die Hand. Er ging
vor ihr in die Hocke und sah unverfänglich auf ihre Schuhe.
    »Du musst nicht denken, Bille, dass es uns Freude
macht, alles wieder aufzurühren. Aber wir versuchen, das Geschehene zu
verstehen, und wissen einfach nicht, wen wir sonst fragen sollen. Du warst am
nächsten an Tammy dran. Wenn überhaupt jemand etwas über die Hintergründe weiß,
dann du! Deshalb möchte ich dich noch einmal fragen: Was war mit Weselowski? Du
brauchst nicht zu antworten, wenn du nicht willst.«
    Sie spielte nervös mit ihrem Taschentuch und sah dabei
verschämt zu Boden. Schließlich antwortete sie mit einer Gegenfrage: »Wie kommt
ihr auf Weselowski?«
    Jetzt war guter Rat teuer. Doc versuchte es mit der
Wahrheit. »Philip hat seine Telefonnummer in Tammys Kalender gefunden.«
    Flüsternd antwortete Bille: »Tammy … Tammy war … sie
war in dieser Nacht mit ihm zusammen. Sie hat ihn auch zuvor schon getroffen.«
Für einen Augenblick verschlug es den Jungs die Sprache.
    Doc war der Erste, der sich wieder fasste. »Welche
Nacht meinst du?«
    Endlose Sekunden verstrichen, in denen sie stumm vor
sich hinweinte. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, hob sie den Kopf:
»Vorgestern, Donnerstag.«
    Hatten sie richtig gehört? Vorgestern? An diesem Abend
war Tammy gestorben!

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