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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Alter häufiger vor, das ändert sich auch wieder. Sie sind
verliebt oder eine Beziehung geht in die Brüche, da gerät das Seelenleben
schnell durcheinander.«
    »Hatte sie zuletzt eine Beziehung?«, wollte Jo wissen.
    »Nicht dass ich wüsste. Jedenfalls zu niemandem aus
dem Internat.«
    »Und wie beurteilen Sie die Verhältnisse im
Elternhaus?«, hakte sie nach.
    »Da ist mir nichts Negatives bekannt. Ich kenne die
Eltern, das sind ordentliche Leute. Betreiben eine Apotheke hier in Überlingen.
Die Mutter ist gesellschaftlich sehr engagiert.«
    »Trotzdem wohnen die Kinder hier im Internat?«,
wunderte sich Wolf.
    »Das ist kein Widerspruch. Die Kinder wollten das,
zumindest ab der Oberstufe, und die Eltern haben zugestimmt. Niemand hier
versteht, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Ich hoffe, dass Sie und die
Soko, die Sie ja vermutlich sofort gebildet haben, den Fall bald aufklären
können.«
    Schon lag Wolf erneut eine scharfe Antwort auf der
Zunge, doch er hielt sich zurück. »Wir tun, was wir können«, erklärte er
unverbindlich. »Doch leider ist das nicht unser einziger Fall. Jedenfalls
danken wir Ihnen fürs Erste. Falls wir noch eine Auskunft brauchen, melden wir
uns. Dürfen wir Sie, Herr von Carlfeld, noch um eine Liste mit den Namen und
Adressen von Tamaras engsten Schulfreundinnen und -freunden bitten? Ach ja, und
setzen Sie doch bitte gleich ihre anderen Lehrer mit drauf, geht das?«
    »Selbstverständlich«, stimmte der stellvertretende
Schulleiter zu und machte Anstalten, mit Hajek den Raum zu verlassen.
    »Moment noch«, rief Wolf ihnen nach. »Würden Sie uns
bitte den Bruder der Schülerin schicken? Danke.« Er lehnte sich zurück, sein
Gesicht nahm einen nachdenklichen, ja resignierten Ausdruck an. »Immer die
gleiche Scheiße«, brummte er. »Zuerst Friede, Freude, Eierkuchen, und
irgendwann blickst du in Abgründe …« Ganz in Gedanken griff er dabei in seine
Tasche und zog ein Päckchen Gitanes heraus. Erst als Jo heftig mit dem Kopf
schüttelte und auf das Rauchverbotsschild an der Wand deutete, wurde er sich
seines Fauxpas bewusst. Ergeben zur Decke blickend steckte er das Päckchen
wieder zurück.
    »Ach«, seufzte Jo schwärmerisch, »so einen Lehrer hätt
ich mir gewünscht.«
    »Dann leg dich ins Zeug. Er trug keinen Ring, also ist
er noch zu haben«, meinte Wolf trocken.
    »Sie wissen genau, wie ich das meine«, gab Jo genervt
zurück.
    Kurz darauf betrat ein junger Mann den Raum. Ohne
Zweifel handelte sich um Philip Reich, Tamaras Bruder. Mehr noch als die äußere
Ähnlichkeit mit der toten Schwester verriet ihn sein Gesicht, das von tiefer
Trauer geprägt war, gepaart mit völligem Unverständnis gegenüber dem
Geschehenen. Gleichwohl schien er bemüht, sich cool zu geben und den Anschein
des über den Dingen stehenden, gereiften jungen Mannes zu wahren, was ihm
jedoch nur unzureichend gelang. Der Achtzehnjährige war groß, gut aussehend,
hatte sportlich kurze dunkelblonde Haare und ein offenes, sympathisches
Gesicht.
    »Sie sind von der Polizei?« Er gab ihnen die Hand.
    »Ja«, entgegnete Wolf. »Und Sie sind Philip Reich,
Tamaras Bruder, stimmt’s?« Dann nannte er seinen und Jos Namen. »Sie wissen,
was passiert ist?«
    Der Junge nickte, er war den Tränen nahe. Wolf und Jo
sprachen ihm ihr Beileid aus.
    »Darf ich fragen, Philip – ich darf Sie doch Philip
nennen? –, ob Sie den Artikel im ›Seekurier‹ gelesen haben?«, begann Wolf.
    Philip nickte erneut.
    »Und – haben Sie eine Meinung dazu?«
    Wolf entging nicht, dass der Junge mit sich kämpfte,
ehe er sich zu einer Antwort entschloss. »Nun, also … ich würde schon meinen,
dass sich die Redakteure des ›Seekurier‹, den ich für eine durchaus seriöse
Zeitung halte, den Bericht nicht einfach aus den Fingern gesogen haben.«
    »Sie meinen, Sie halten die dort erhobenen Vorwürfe
für begründet?«
    Wieder zögerte er. »Ich weiß nicht, was ich denken
soll. Natürlich wünsche ich mir, die ganze Geschichte wäre an den Haaren
herbeigezogen. Noch vor zwei, drei Monaten hätte ich gesagt, das gibt’s doch
alles nicht. Bei jeder, nur nicht bei meiner Schwester. Verstehen Sie, was ich
meine?«
    »Wir verstehen Sie sehr gut«, antwortete Jo sanft.
»Sie wollen damit sagen, sie hat sich in letzter Zeit verändert. War es so?«
    »Ja, schon. Unmerklich zuerst, aber dann jeden Tag ein
bisschen mehr. Sie war so … so entrückt und gleichzeitig aufgekratzt, verlor
zunehmend ihr Interesse an der Schule, der

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