Seefeuer
fünf
treffen wir uns hier wieder.«
***
Der
Segler »Marie-Claire« verließ den engen Überlinger Mantelhafen zur Mittagszeit.
Zahlreiche Urlauber sahen dem Manöver zu; Kinder winkten, Väter fotografierten,
und nicht wenige wünschten sich, mit hinausschippern zu können. Es war
spätsommerlich warm, kein Lüftchen regte sich.
Die drei jungen Männer an Bord brauchten keinen Wind.
Für das, was sie vorhatten, reichte der Außenborder. Während Doc ein Auge
darauf hatte, dass sie anderen Booten an ihren Liegeplätzen nicht zu nahe
kamen, war Hape mit dem Aufrollen der Leinen beschäftigt. Philip stand an der
Pinne und bediente den Motor. Für ihn, den leidenschaftlichen Wassersportler,
kam Segeln noch vor Tauchen. Da traf es sich gut, dass er praktisch unbegrenzt
über dieses Boot verfügen konnte. Sein Vater hatte die »Marie-Claire« vor etwas
mehr als fünf Jahren erworben. Als Apotheker ohne eigenes Segelboot, meinte er,
würde er in Überlingen wohl kaum für voll genommen. Mit dem Kauf schien die
Sache jedoch für ihn erledigt, kaum jemand hatte ihn je an Bord gesehen.
Mit dem hastig angesetzten Törn gedachte Philip,
gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen konnten sie hier in
Ruhe ihr weiteres Vorgehen abstimmen. Vor allem aber wollte Philip am Seeufer
entlang bis zu der Stelle nahe dem Spetzgarter Jachthafen schippern, an der man
einen Tag zuvor seine Schwester tot aufgefunden hatte, angeschwemmt wie ein
Stück Treibholz. Er hätte selbst nicht sagen können, was er sich davon
versprach. Obgleich ihn das unbegreifliche Geschehen aufwühlte, empfand er dennoch
keine echte Trauer – nur Wut, unbändige Wut auf alles und jeden, der den Tod
seiner Schwester zu verantworten hatte. Er würde den Schuldigen finden und zur
Rechenschaft ziehen, das hatte er sich geschworen. Tief im Inneren aber konnte
er sich von einer gewissen Mitschuld nicht freisprechen. Was wusste er schon
von seiner Schwester? Wenig, erschreckend wenig. Zu wenig,
wie sich jetzt zeigte. Wie sonst hatte er die Veränderungen der letzten Wochen
und Monate auf die leichte Schulter nehmen können? Die Art, wie sie plötzlich
mit Geld um sich warf, der ständige Wechsel zwischen nerviger Euphorie und
tiefer Depression, dazu ihre Ausflüchte, wenn mal wieder ein Essen mit den
Eltern anstand, bei denen er sie entschuldigen sollte.
Ein Zuruf riss ihn aus seinen Gedanken. Heftig
gestikulierend deutete Doc auf das nahe Ufer. Das musste die Stelle sein, an
der sie gefunden worden war. Alles stimmte: Nur wenige Meter weiter lag die
Einfahrt zum Spetzgarter Hafen, von der Straße hinunter führte ein deutlich
sichtbarer Trampelpfad, Gras und Sträucher am Ufer waren platt getreten. Ums
Haar wäre er daran vorbeigefahren! Er steuerte näher ans Ufer und stellte den
Motor ab. Sachte dümpelte das Boot im seichten Wasser. So lagen sie mehrere
Minuten, ohne dass ein Wort gewechselt wurde.
Irgendwann berührte ihn Hape an der Schulter. »Lass
uns weiterfahren, Philip. Ich verstehe deinen Schmerz, aber es bringt nichts,
darin zu versinken. Wir sollten lieber überlegen, wie es weitergeht.«
Wortlos stand Philip auf und überließ Hape die Pinne.
Er verschwand kurz unter Deck. Als er zurückkam, hatte er ein Laptop bei sich.
Das Gerät im Schoß, setzte er sich neben Hape. Dann winkte er Doc herbei.
Hape ergriff das Wort: »So, nu lass mal die Katze aus
dem Sack. Warum sind wir rausgefahren?«
»Weil uns hier keiner belauschen kann.«
»Und was ist so geheim, dass es niemand hören darf?«,
fragte Hape ahnungsvoll.
Philip sah seine Freunde der Reihe nach an. »Ich werde
mir Weselowski vorknöpfen. Wenn er wirklich Dreck am Stecken hat, wovon ich überzeugt
bin, dann muss er auch zur Rechenschaft gezogen werden.«
Betroffenes Schweigen folgte. Dann platzte Doc heraus:
»Jetzt aber mal langsam. Weselowski mag uns ja verdächtig erscheinen, aber noch
wissen wir nichts Genaues, noch haben wir keinen Beweis. In
dubio pro reo , du weißt …«
»Für solche Mätzchen haben wir keine Zeit«, winkte
Philip nervös ab. »Weselowski steckt in der Sache drin, das ist erwiesen. Wie
sonst käme seine Telefonnummer in Tammys Kalender? Was aber noch viel schwerer
wiegt: Bille hat praktisch zugegeben, dass Tammy am fraglichen Abend mit dem
Kerl zusammen war. Sie muss es wissen, sie war schließlich dabei! Denkst du, er
hat Tammy aus dem Märchenbuch vorgelesen?«
»Mit Sicherheit waren sie nicht zusammen tauchen«, gab
Hape zu bedenken. »Und
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