Seefeuer
den pickligen
von Perdelwitz noch mal vorgeknöpft. Der Kerl ist so schleimig, wie er
aussieht. Alle seine Andeutungen haben sich als Luftblasen erwiesen, in
Wirklichkeit weiß er nichts. Oder er leugnet geschickt, trau ich ihm aber nicht
zu. Das Einzige, was aus seinem Munde halbwegs glaubhaft klingt, ist die Sache
mit Tammys Kalender. Und was haben Sie über Weselowski?«
Wolf berichtete, was er wusste. Er rieb sich
gedankenverloren die Nase. »Alles in allem ein mehr als mysteriöser Fall«,
versuchte er sich an einer Zusammenfassung. »Wir haben eine tote Schülerin in
einem Taucheranzug, der in Bodman gestohlen und der Leiche nach ihrem Tod
übergezogen wurde, offensichtlich in der eindeutigen Absicht, einen Tauchunfall
vorzutäuschen. Was sollte damit verschleiert werden? Als Todesursache können
wir überhöhten Drogen- und Alkoholkonsum als gesichert ansehen. Keine
Gewalteinwirkung, keine Sperma- oder sonstigen DNA -verwertbaren
Spuren. Weder in ihrer Schule noch im Freundeskreis kann sich jemand einen Reim
darauf machen – zumindest nicht bis jetzt. Und dann wird da plötzlich dieser
Weselowski vor seiner Klinik tödlich überfahren – ausgerechnet der Mann, von
dessen Handy in der Nacht, in der Tamara Reich gestorben ist, ein Notruf
abgesetzt wurde. Ich will verdammt sein, wenn es da keinen Zusammenhang gibt.
Zwischenzeitlich hatte ich sogar diesen Weselowski selbst in Verdacht – und nun
das!«
»Eine herbe Enttäuschung, nicht wahr?« Jo konnte sich
ein Grinsen nicht verkneifen, wurde aber sofort wieder ernst. »Wenn ich es
recht bedenke, sollten wir dringend zwei Dinge tun. Erstens: Tammys Bruder
finden, damit wir endlich an den Taschenkalender kommen. Zweitens: Weselowskis
Familien- und Bekanntenkreis unter die Lupe nehmen.«
»An vorderster Stelle diesen Rechtsanwalt Pohl …«
»… der mit Weselowski in der Tatnacht in Luzern
gewesen sein will.«
Wolf nickte ergeben. »Also los, worauf warten wir
noch?« Er stand auf und folgte Jo zu ihrem Auto.
***
Pohl
genehmigte sich gerade den dritten Whisky. Er brauchte das, hatte er doch
innerhalb einer Stunde zwei Nackenschläge hinnehmen müssen. Nicht genug damit,
dass er den zahlungskräftigen Klienten Hals über Kopf hinauskomplimentieren
musste. Kaum war der Mann gegangen, war Höflich hereingestürmt und hatte ihn
mit äußerst unappetitlichen Einzelheiten über Weselowskis Tod konfrontiert. Zu
guter Letzt hatte Höflich sich gar zu der Behauptung verstiegen, es handle sich
um kaltblütigen Mord. Und wenn er, Pohl, es recht bedachte, lag Höflich damit
gar nicht mal so schief. Kein Wunder also, dass er nach dieser Aufregung ein
paar Gläschen Hochprozentiges brauchte. Allerdings konnte auch der Alkohol
nicht verhindern, dass sich ihm einige unangenehme Fragen aufdrängten, im
Gegenteil.
Warum wohl hatte es Weselowski erwischt? Und weshalb
gerade jetzt und auf diese Weise? Die Frage aller Fragen aber lautete: Wer
steckte dahinter?
Sein erster Verdacht war auf die Organisatoren der
Bootspartys gefallen. Davon war er jedoch schnell wieder abgerückt. Wer würde
ein Huhn schlachten, das goldene Eier legt? Das passte nicht zu diesen Typen,
dafür waren die viel zu geldgeil. Oder ging es hier gar nicht um Geld? Sollten
womöglich Zeugen aus dem Weg geräumt werden? Auch diesen Gedanken verwarf er
wieder. Dann müssten die Kerle ja die ganze Clique eliminieren. Und die Mädchen.
Vor einem Massenmord dieses Ausmaßes schreckte selbst Pohls Fantasie zurück.
Nein, nein, das machte alles keinen Sinn.
Was, wenn jemand Tammys Tod rächen wollte? Schon eher
möglich. Aber wie sollte der Täter wissen, dass ausgerechnet Hans-Gerd in der
fraglichen Nacht mit Tammy zusammen war? Das war nur den Teilnehmern der Partys
bekannt – und den Organisatoren.
Er drehte sich im Kreis.
Zu allem Überfluss kamen ihm Zweifel, ob er an der
Aufklärung der Tat überhaupt interessiert sein sollte. Zu viel stand auf dem
Spiel – für ihn und die Clique. Niemand wusste besser als er: Wenn Polizei und
Staatsanwaltschaft erst einmal in dieser trüben Suppe herumrührten, würde sie
binnen Kurzem zum Himmel stinken. Dann konnte er sich alles abschminken, was
das Leben für ihn lebenswert machte: seine Kanzlei, seinen Ruf, sein Geld,
seine Freiheit.
Kaum hatte er das realisiert, wurde er noch eine Spur
blasser. Schnell goss er noch einmal nach.
Der Whisky brannte in seiner Kehle, und auf einmal
wusste er, was zu tun war: Er musste mit den anderen aus der Clique reden –
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