Seefeuer
Informationsquellen nicht das Geringste
wissen, ganz zu schweigen davon, dass ich Ihr Material vor Gericht nicht
verwenden kann. Leider!«
»Sie kennen mich doch …«
»Eben.«
Karin zog eine Schnute, griff nach ihrer Tasche und
erhob sich. »Gut, wenn Sie nicht interessiert sind … es gibt andere, die mein
Material sehr wohl zu schätzen wissen. Zum Beispiel der ›Seekurier‹.«
»Sie wissen genau, dass ich darauf nicht hereinfalle,
Verehrteste. Setzen Sie sich und erzählen Sie weiter.«
Sie ließ sich nicht zweimal bitten, ja, sie lächelte
sogar schon wieder. »Um es kurz zu machen: Unser sauberer Klinikchef hat an
minderjährigen Mädchen illegale Abtreibungen vorgenommen. Und eines seiner
Opfer war Tamara Reich.«
***
Hartmut
Pohl hatte einen dicken Fisch an der Angel. So ein Mandat bekam er nicht jeden
Tag! Hier ging es nicht um irgendwelche Peanuts. Sollte er den Fall verlieren –
was er jedoch für gänzlich ausgeschlossen hielt –, würde sein Klient leicht für
mindestens zehn Jahre hinter Gitter wandern. Bei Unterschlagungen dieses
Umfangs verstanden die Richter keinen Spaß.
Soeben hatte er sich eine Vertretungsvollmacht
unterschreiben lassen und einen satten Vorschuss kassiert – in bar, versteht
sich. Jetzt musste er den Klienten vor ihm nur noch davon überzeugen, dass es
das Beste für ihn wäre, sich freiwillig zu stellen. Gerade wollte er mit seinem
Vortrag beginnen, da klingelte sein Telefon.
Unwillig hob er ab. »Ich habe doch gesagt, ich will
jetzt nicht gestört werden, Jane.« Schon knallte er den Hörer wieder zurück und
zauberte ohne Übergang ein Lächeln auf sein Gesicht. Ehe er jedoch Gelegenheit
fand, seinem Klienten auch nur einen Satz seiner ausgeklügelten Strategie
darlegen zu können, klingelte es erneut.
»Ich hab mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt …«, zischte er wütend. Doch diesmal ließ sich Jane nicht abwimmeln.
»Tut mir leid, Herr Doktor, aber Walter Höflich ist
dran. Er sagt, es sei etwas Furchtbares passiert, die Sache dulde keine Sekunde
Aufschub.«
»Also gut, ich nehm ihn.« Er rang sich ein
entschuldigendes Lächeln ab und nickte seinem Klienten zu: »Selbstverständlich
bin ich sofort wieder für Sie da.« Dann drückte er auf die Verbindungstaste.
Walter Höflich, alteingesessener Weingutbesitzer und
nach Weselowski Pohls engster Freund, schien am Boden zerstört. »Hartmut, wir
müssen uns auf der Stelle treffen«, stieß er hervor.
»Du hast Nerven! Ich stecke in einer wichtigen
Besprechung. Was ist denn überhaupt passiert?«
»Hans-Gerd ist tot!«
»Was soll das heißen … tot?«
»Ich bin in zehn Minuten bei dir!« Noch ehe Pohl etwas
einwenden konnte, hatte Höflich auch schon aufgelegt.
***
Wolf
riss das Fenster auf. Er hatte eine seiner filterlosen Gitanes gequalmt, wie
üblich nur zur Hälfte und nicht auf Lunge. Nach Karin Winters überraschender
Eröffnung hatte sein Körper förmlich danach gegiert.
Wie erwartet rümpfte Jo die Nase, als sie das Büro des
Hauptkommissars betrat. Wolf zuckte nur mit den Schultern und wies auf das weit
geöffnete Fenster.
»Wo bleibt Ludger?«, fragte er.
»Ist nicht im Hause. Musste angeblich dringend nach
Tübingen, in einer privaten Sache. Er hat mich gebeten, ihn zu entschuldigen.«
Tübingen? Wolf fragte sich, was sein Mitarbeiter in
Tübingen zu schaffen hatte – und dann noch »in einer privaten Sache«. Was hatte
das zu bedeuten? Ein Verdacht keimte in ihm auf, schließlich war Tübingen nicht
nur der Sitz des Regierungspräsidiums und der Landespolizeidirektion, auch die
Hauptverwaltung der Kriminalpolizei des Regierungsbezirks befand sich dort.
»Nimm Platz«, forderte er Jo auf und lächelte
ironisch. »Ohne Ludger werden wir zwar kaum zu Potte kommen, aber wir wollen es
doch wenigstens versuchen, nicht wahr? Kaffee?« Ohne eine Antwort abzuwarten,
schleppte er bereits zwei dampfende Tassen an. »Du beginnst.«
»Also gut: Der Taucher, in dessen Anzug die Tote
steckte, war heute früh hier …«
»Moment, das Wichtigste zuerst: Was ist mit dem
Kalender, den Tammys Bruder angeblich an sich genommen hat?«
»Lässt sich noch nicht sagen, Chef. Ich war am Samstag
und gestern noch mal im Internat, beide Male war Philip nicht aufzutreiben. Ich
bleib natürlich dran. Der Taucher jedenfalls hat das Teil eindeutig als sein
Eigentum identifiziert. Außerdem hat er eine Speichelprobe dagelassen, sie ist
bereits im Labor. Danach hab ich mir den von Pickelwitz … nein,
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