Seefeuer
Selbstvorwürfe
brachten ihn jetzt nicht weiter. Er musste überlegen, wie er einigermaßen
unbeschadet aus der Sache herauskam – falls das überhaupt noch möglich war.
Janes Stimme quäkte aus der Sprechanlage: »Herr
Doktor, da sind noch mal zwei Leute von der Kripo. Sind Sie für die zu
sprechen?«
Pohl stockte der Atem. Er räusperte sich, ehe er ein
gepresstes »Augenblick!« hervorbrachte. Es war ihm kaum gelungen, sich etwas zu
fassen, da führte Jane die beiden Besucher bereits herein und bat sie, an dem
unweit der Tür stehenden Besprechungstisch Platz zu nehmen. Pohl knurrte ein
kurzes »Moment, bitte!« und tat, als würde er gerade einige Schriftstücke
unterzeichnen. Endlich kam er hinter seinem Schreibtisch hervor und reichte den
beiden seine feuchte Hand.
»Guten Tag, Sie erinnern sich sicher noch an mich:
Wolf, Kripo Überlingen. Das ist meine Kollegin, Frau Louredo. Tut uns leid,
dass wir so hereinplatzen.«
»Mir auch, sozusagen«, gab Pohl ungehalten zurück.
»Fünf Minuten kann ich Ihnen einräumen, im besten Falle! Dringender
Gerichtstermin, Sie verstehen.« Eigentlich hatte er noch wesentlich patziger
sein wollen. Ein Gespräch mit diesen Polizisten war das Letzte, was er jetzt
brauchte.
»Wenn es Ihnen lieber ist, können wir uns auch auf dem
Präsidium unterhalten«, entgegnete Wolf und machte Anstalten, sich wieder zu
erheben.
Pohl war einen Moment lang sprachlos. Was sich dieser
Kommissar herausnahm, noch dazu in diesem albernen Outfit! Nachgerade
unverschämt. So hatte noch niemand mit ihm geredet. Er hatte große Lust, dem
Menschen seine lächerliche Kopfbedeckung herunterzureißen und ihm vor die Füße
zu werfen. Andererseits – seine derzeitige Verfassung riet ihm zur
Zurückhaltung. Seit wenigen Minuten war nichts mehr wie zuvor. Seltsame Dinge
ereigneten sich. Vielleicht war es klüger, sich solche Leute nicht leichtfertig
zum Feind zu machen?
»Ich bitte Sie, so war das nicht gemeint«, lenkte er
ein. »Also, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Wir müssen noch einmal auf die Nacht von Donnerstag
auf Freitag zurückkommen …«
»Sie meinen die Nacht, die ich in Luzern verbrachte,
sozusagen?«
»Eben darum geht es«, ergriff die Frau das Wort. »Sie
haben ausgesagt, Sie hätten den Nachmittag und den Abend zusammen mit Dr.
Weselowski in Luzern verbracht. Ist das korrekt?«
»Korrekt.«
»Und Sie bleiben bei dieser Darstellung?«
»Entschuldigen Sie mal, was wollen Sie denn damit
andeuten?«, fuhr Pohl hoch. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Armlehnen
ab, als wolle er sich im nächsten Moment aus dem Sessel katapultieren.
»Das können wir Ihnen gerne sagen«, erläuterte der
Kommissar. »Wir haben Zeugenaussagen, die belegen, dass Dr. Weselowski sich am
Donnerstagabend definitiv nicht in Luzern aufgehalten hat. Verstehen Sie jetzt
die Frage meiner Kollegin? Entweder Sie waren allein dort – oder aber keiner
von Ihnen. So oder so: Sie haben uns die Unwahrheit gesagt, Herr Pohl.«
» Doktor Pohl, bitte. So viel
Zeit müssen Sie sich schon nehmen, sozusagen.« Seine Gedanken rasten. Konnte es
sein, dass Hans-Gerd trotz aller Vorsicht von jemand gesehen worden war? Was
wussten die beiden Beamten wirklich? »Wo hat sich denn Dr. Weselowski Ihrer
Meinung nach aufgehalten?«, versuchte er eine bewährte Hinhaltetaktik.
»Dürfen wir das als Eingeständnis verstehen …?«,
fragte die Beamtin.
»Sie dürfen gar nichts! Ich bleibe dabei: Weselowski
und ich waren am Donnerstag zur fraglichen Zeit in Luzern.«
»Spielen Sie mit der Formulierung ›zur fraglichen
Zeit‹ auf ein bestimmtes Ereignis an?«
»Drehen Sie mir nicht das Wort im Mund herum!« Pohls
Nerven lagen nun endgültig blank. Er erhob sich und sagte brüsk: »Bitte
entschuldigen Sie mich jetzt, Herr Kommissar. Ich habe bei Gericht zu tun.«
» Haupt kommissar, bitte. So
viel Zeit müssen Sie sich nehmen«, antwortete Wolf.
Er machte keine Anstalten, sich zu erheben, sondern fuhr in aller Seelenruhe
fort: »Also gut, Doktor Pohl: Sie bleiben dabei,
vergangenen Donnerstag den Nachmittag und zumindest die erste Hälfte der Nacht
in Luzern verbracht zu haben, und zwar in Begleitung von Dr. Weselowski – das
nehmen wir so zu Protokoll.«
Diese offensichtliche Gelassenheit verunsicherte Pohl
ein wenig, doch dann fiel ihm etwas ein. »Ich denke, die Theaterkarten, die ich
Ihrem Mitarbeiter ausgehändigt habe, sind Beweis genug, sozusagen.«
Kommissar Wolf lächelte spöttisch. »Ich bitte Sie,
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