Seefeuer
die
Karten beweisen gar nichts – außer dass das darauf angegebene Stück zur
angegebenen Zeit in Luzern auf dem Spielplan stand.« Er machte eine kleine
Kunstpause. »Ob mit oder ohne Sie, das kriegen wir raus, verlassen Sie sich
drauf. Wir wünschen noch einen guten Tag!«
***
Gleich
nach ihrer Rückkehr ins Dezernat bat Wolf Jo, ihm einen Dienstwagen zu
besorgen. »Aber einen mit Schweizer Autobahn-Vignette drauf«, rief er ihr auf
halbem Weg in sein Büro zu. Dann telefonierte er mit seinem Freund Pierre
Gasser bei der Kantonspolizei Luzern. Kommissär Gasser und er hatten in der
Vergangenheit bei einigen grenzüberschreitenden Fällen bestens
zusammengearbeitet und trafen sich von Zeit zu Zeit auch privat.
Wolf schilderte Gasser kurz sein Anliegen. Sie kamen
überein, sich am frühen Abend zu treffen. »Am besten, du fährst direkt zur
Präfektur am Schwanenplatz. Dort kannst du deinen Wagen abstellen, und wir
erledigen alles weitere zu Fuß, oder?«, schlug Gasser vor, wobei er das
abschließende »Oder« typisch schweizerisch ohne e, dafür mit mindestens drei
rollenden r aussprach. Wolf bedankte sich, nahm seine Jacke und verließ das
Aquarium. Er war fest entschlossen, Pohl nachzuweisen, dass er am letzten
Donnerstag keineswegs mit Weselowski zusammen eine Theatervorstellung in Luzern
besucht hatte. Wenn es ihnen gelang, dieses Alibi zu erschüttern, konnten sie
davon ausgehen, dass der Klinikchef in der Tatnacht tatsächlich mit Tamara
Reich zusammen gewesen war, wie Philip gesagt hatte. Mehr noch: Dann musste
auch Pohls Rolle in einem anderen Licht gesehen werden. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit war er Mitwisser, möglicherweise sogar Tatbeteiligter. Wolf
hoffte, in kurzer Zeit mehr darüber zu wissen.
Kurz vor neunzehn Uhr erreichte er den Schwanenplatz
und fragte sich in der Präfektur zu Gasser durch. Nach einer herzlichen
Begrüßung machten sie sich auf den Weg. Zunächst wollten sie Antworten auf
Wolfs Fragen erhalten und sich anschließend zu einem gemütlichen Abendessen
irgendwo in der Altstadt niederlassen. »Was hältst du von Zürcher
Geschnetzeltem mit Rösti?«, fragte Gasser mit listigem Lächeln. »Weißt schon,
nach Schweizer Originalrezept, nicht das Zeug, das man bei euch unter diesem
Namen offeriert.« Er wusste nur zu gut, dass Wolf allein bei Erwähnung dieses
Gerichts das Wasser im Munde zusammenlief.
»Einverstanden.«
Die Präfektur der Luzerner Kantonspolizei lag unweit
der verkehrsreichen Seebrücke, die als Nahtstelle zwischen dem Vierwaldstätter
See und der Reuss, dem westlichen Auslauf des Sees, so etwas wie der Nabel von
Luzern war. Gasser schlug zunächst den Weg Richtung Altstadt ein. Bereits nach
wenigen Schritten standen sie vor Luzerns Wahrzeichen, der vollständig
überdachten Kapellbrücke mit ihrem charakteristischen Wasserturm in der Mitte.
Sie überquerten die Reuss, dann waren sie auch schon am Ziel. Vor ihnen lag die
prächtige Fassade des Luzerner Stadttheaters.
»Das einzige Dreispartenhaus der Schweiz«, erklärte
Gasser. Als Wolf ihn nur verständnislos ansah, fügte er hinzu: »Oper,
Schauspiel und Tanz. Ich habe uns beim Verwaltungschef angemeldet, einem
gewissen Herrn Bülach. Er kennt dein Anliegen und ist gerne bereit, dir zu
helfen, wenn er kann.«
Bülach empfing sie in seinem Büro, das eher einer
Rumpelkammer glich. Er hängte sich sogleich ans Telefon, um eine Frau Weggi zu
sich zu bitten.
Frau Weggi erwies sich als kleine, etwas pummelige
Sechzigjährige mit unglaublich vielen Lachfältchen um die Augen, die selbst
ihre große getönte Brille nur unzulänglich verdecken konnte. Sie drückte Wolf
und Gasser kräftig die Hand. Aus der Art, wie sie sich gab und kleidete, ging
hervor, dass sie im Hause nicht gerade als Platzanweiserin fungierte.
»Frau Weggi managt die Theaterfinanzen«, erläuterte
Bülach denn auch prompt. »Dazu gehört die Abwicklung der Abonnements.« Er
schilderte ihr kurz, wonach Wolf suchte.
»Sie wollen also wissen, ob in der Abendvorstellung
vom vergangenen Donnerstag die Sitzplätze Nr. 24 und 25 in der vierten
Reihe belegt waren? Normalerweise wird natürlich nicht kontrolliert, ob die
Käufer der Karten die Vorstellung auch tatsächlich besuchen. Mit etwas Glück
kann man es trotzdem herausbekommen. Einen Moment bitte.« Sie ging kurz aus dem
Raum und kehrte mit einer umfangreichen Liste zurück. »Lassen Sie mich einen
Blick in den Aboplan werfen. Aha, ich sehe hier, dass die fraglichen Plätze Nr.
22 und 23,
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