Seefeuer
dass es sich keiner von uns leisten kann, die Geschehnisse rund um
das Schiff ruchbar werden zu lassen. Darauf bauen sie, wohl wissend, dass Sie
mit dem Feuer spielen und im umgekehrten Falle ebenfalls alles verlieren können,
sozusagen. Da wir jedoch eindeutig in der exponierteren Lage sind, schätzen sie
vermutlich das Risiko gering ein, dass wir sie mit in die Pfanne hauen.
Andererseits wissen wir ja nicht, ob sie sich womöglich verdünnisieren, sobald
wir bezahlt haben.«
»Wer spricht denn von Bezahlen?«, brauste Hohnisch
auf. »Ich denke gar nicht dran, auch nur einen Cent herauszurücken, zumal es
nicht bei einer einmaligen Zahlung bleiben wird, das kennt man ja.«
»Genau«, wurde er von Höflich unterstützt.
Trost hob beschwichtigend die Hände. »Alles recht und
schön, Leute. Aber was sollen wir konkret unternehmen? Hat jemand eine Idee?«
Wieder trat eine Pause ein, bis sich Pohl zu Wort
meldete. »Wie wir’s auch drehen und wenden, liebe Freunde, um zwei Dinge kommen
wir nicht herum: Erstens müssen wir die auf dem Schiff produzierten Videos
unter allen Umständen in die Hände bekommen und sofort vernichten. Gleichzeitig
gehört den Bastarden eine Lektion erteilt, die sich gewaschen hat. An Spielchen
dieser Art dürfen die künftig nicht einmal mehr denken! Sind wir uns in beiden
Punkten einig?«
»Leichter gesagt als getan«, knurrte Höflich. »Wie sollen
wir an das Material herankommen?«
Auf diesen Einwurf schien Pohl nur gewartet zu haben.
»Irgendwo müssen wir mit der Suche beginnen – warum nicht auf dem Schiff? Es
spricht einiges dafür, dass das Material genau dort gelagert wird. Wer will so
‘n Zeug schon zu Hause haben, wo es allzu leicht in fremde Hände fallen kann,
sozusagen?«
»Und wer soll das machen?«
Eine lebhafte Diskussion setzte ein, die in
aufgeregtes Durcheinander mündete – bis Pohl die Hand hob. »Jetzt haltet doch
mal die Klappe!«, rief er. Als endlich Ruhe eingekehrt war, sprach er den
erlösenden Satz: »Ich hätte da eine Idee …« Mit knappen Worten erläuterte er,
was er ausgeheckt hatte.
Eine gute Stunde debattierten die sieben Männer noch
über das Für und Wider, ehe sie einigermaßen beruhigt in ihre Karossen stiegen
und den Wald auf demselben Weg verließen, auf dem sie gekommen waren.
***
Pohl war mit dem Verlauf der Unterredung
recht zufrieden. Sah ganz so aus, als könnten sie den Kopf noch einmal aus der
Schlinge ziehen – falls ihr Plan klappte. Er betätigte die Lichthupe, als die
anderen an der Einmündung zur B31 abbogen. Lediglich Hohnisch, der im selben
Ort wohnte, war noch vor ihm.
Erst vor Kurzem hatte Pohl in Heiligenberg, unweit des
trutzigen Renaissanceschlosses der Fürstenberger, ein Haus erworben, wie man es
seiner Meinung nach von einem erfolgreichen Anwalt erwarten durfte. Gewiss,
manchmal ging ihm die tägliche Fahrerei gehörig auf den Wecker. Im Grunde hatte
er jedoch keine andere Wahl gehabt, da die Orte unten am See häufiger, als ihm
lieb war, im Nebel steckten. Dagegen hatten seine Bronchien rebelliert.
Außerdem – diesen Vorteil schätzte er zuweilen noch höher ein – konnte er dort
oben ungesehen Besuch empfangen, ohne ins Gerede einer andernorts
allgegenwärtigen und notorisch neugierigen Nachbarschaft zu kommen.
Während er so hinter Hohnisch herzuckelte, ließ er
sich ihren Plan – seinen Plan! – noch einmal in allen
Einzelheiten durch den Kopf gehen. Wenn ihre Rechnung aufging, dann hätte sich
danach nicht nur das belastende Material buchstäblich in Rauch aufgelöst; die
Erpresser wären hoffentlich von ähnlichen Abenteuern geheilt. Falls das noch
nicht reichte, konnte man ihnen immer noch damit drohen, ihre eigene
Beteiligung öffentlich zu machen, schließlich stand auch für sie eine Menge auf
dem Spiel. So oder so war zu erwarten, dass sie nach dieser Aktion ganz schnell
den Schwanz einzogen. Wer im Glashaus saß, durfte eben nicht mit Steinen
werfen, so einfach war das.
Sie passierten Frickingen, eine der wenigen
Ortsdurchfahrten auf dieser Strecke. Der Ortsausgang wurde durch einen
ungeschickt geparkten blauen BMW regelrecht zum
Nadelöhr. Pohl musste das Tempo stark drosseln, um unbeschadet vorbeizukommen,
und konnte sich einen kurzen Hieb auf die Hupe nicht verkneifen.
Sie hatten die mit unzähligen Obstbäumen bestandene
Hochfläche im Hinterland des Sees beinahe verlassen. Gleich würde die steile,
kurvenreiche Anfahrt hinauf nach Heiligenberg beginnen. Noch vor der ersten
Kurve
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