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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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hinzufahren.«
    Kurz nach dem Tod seiner Frau vor etwas mehr als zehn
Jahren hatte Wolf seinen klapprigen Wagen verkauft und war aufs Fahrrad
umgestiegen. Davon war er auch für noch so viel Geld und gute Worte nicht
abzubringen gewesen. »Ich geh bald in Rente, ich brauch kein Auto mehr«,
pflegte er auf entsprechende Vorhaltungen zu entgegnen. Und solange sich keine
erkennbaren Nachteile für den Dienstbetrieb ergaben, hatte Sommer ihm das
durchgehen lassen.
    Kaum zehn Minuten später kreuzte Jo mit ihrem Beetle
in Nußdorf auf, lud Wolf ein und fuhr nach einer rasanten Kehrtwende zur B31
hoch, die um diese frühe Stunde noch so gut wie leer war. Mehrfach musste Wolf
unterwegs die Augen schließen, bis sie endlich ihr Ziel erreichten.
    Sie hatten den Feuerschein bereits von Weitem bemerkt.
Leider nicht nur sie: Je näher sie dem Bootshafen kamen, desto zahlreicher
wurden die Gaffer. Die Nachricht von dem großen brennenden Schiff musste wie
ein Lauffeuer durch den Ort gegangen sein.
    Um zum Hafen zu gelangen, mussten sie zunächst den
Bahnübergang überqueren. Hier hatten Beamte der Schutzpolizei eine Sperre
errichtet; kein Unbeteiligter wurde durchgelassen. Wolf hielt seinen
Dienstausweis aus dem Fenster, und sie durften passieren.
    Spätestens jetzt wurde klar, wie notwendig die
Absperrung war. Das Seeufer war durch Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr völlig
blockiert, etwas zurückgesetzt standen das Fahrzeug des Notarztes und zwei
Streifenwagen. Gut und gerne drei Dutzend Leute rannten scheinbar ziellos
durcheinander, Kommandos erschallten, Geräte wurden ausgeladen und zum Ufer
geschleppt, weitere Schläuche ausgerollt und an Pumpen angeschlossen. Nicht
auszudenken, welches Unheil gaffende Passanten hier angerichtet hätten, von
einer Behinderung der Löscharbeiten ganz zu schweigen.
    Wolf und Jo wollten sich eben zum Ufer vorarbeiten, um
das brennende Schiff in Augenschein zu nehmen, als wie aus dem Boden gewachsen
Marsberg vor ihnen stand.
    »Du hier?«, staunte Wolf.
    »Der Kollege von der Bereitschaft hatte den Eindruck,
du würdest weiterpennen, also hat er mich aus dem Bett getrommelt.«
    »Wie kann der Kerl so einen Stuss verzapfen? Den werd
ich mir vorknöpfen!«
    Marsberg wollte das Missverständnis nicht weiter vertiefen.
Wichtiger schien ihm, seine Kollegen über den Stand der Dinge zu unterrichten.
    »Die Feuerwehr hat die Ankerketten gekappt und das
Schiff näher ans Ufer gezogen, sodass die Löscharbeiten jetzt in vollem Gange
sind.«
    »Ich vermisse die Kollegen von der Wasserschutzpolizei.«
    »Tja, die Wapo glänzt noch durch Abwesenheit.«
    Sie hatten sich durch die eng stehenden Fahrzeuge
hindurchlaviert und das Seeufer erreicht. Es schien widersinnig: Mitten auf der
Wasserfläche lag, im Widerschein der hochschlagenden Flammen, ein respektables
Schiff – zumindest war es das einmal, ehe es in Flammen aufging. Die Kulisse
war regelrecht atemberaubend: Vor ihnen, eingerahmt vom Jachthafen auf der
einen und dem behäbigen Bau des alten Zollamtes auf der anderen Seite, lag der
Brandherd, auf den im Augenblick gut und gerne sechs Rohre gerichtet waren.
Dahinter kündigte sich in einer Orgie aus Violett-, Rot- und Gelbtönen der
aufkommende Tag an – alles in allem eine Symphonie der Farben, die gleichzeitig
schaurig und doch unwirklich schön wirkte. Etwas weiter draußen auf dem Wasser
zog etwas Wolfs Aufmerksamkeit auf sich. Es war, als wären die auf das Schiff
gerichteten Scheinwerfer von einer Glasfläche reflektiert worden – zum Beispiel
einer Taucherbrille. Gleich darauf war der Spuk wieder verschwunden.
Wahrscheinlich hatte er sich getäuscht.
    Wolf erinnerte sich nicht, dieses Schiff jemals
gesehen zu haben. Es war gut zwanzig Meter lang, verfügte über zwei Decks, die
von den Brückenaufbauten und einer kleinen Sonnenterrasse überragt wurden. Am
Bug war der Name aufgepinselt: »Crown of St. Gallen«.
    »Du wirst es nicht glauben«, erläuterte Marsberg
gerade, »aber es ist tatsächlich ein Kreuzfahrtschiff, hat mir der Hafenmeister
eben erzählt. Fährt seit zwei Jahren unter Schweizer Flagge und bietet Kajüten
für sechzehn Passagiere, hat aber bis heute keine einzige Kreuzfahrt gemacht.
Es wurde einfach nicht richtig vermarktet. Der Besitzer soll mehr schlecht als
recht vom Verchartern und von Rundfahrten leben, vorwiegend auf dem Obersee.
Der Kahn wurde vereinzelt auch schon auf dem Überlinger und dem Untersee
gesehen, da allerdings wohl ausschließlich bei Nachtfahrten. Der

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