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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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könnte die Winter gemeint haben?«, fragte Jo.
    »Frag mich was Leichteres. Aber lange kann sie’s
sicher nicht für sich behalten, da kenne ich sie zu gut. Und jetzt lass uns
gehen, wir können hier nichts mehr ausrichten.«
    ***
    Wolf
war noch keine fünf Minuten zurück, als Jo einen blass aussehenden, etwas
rundlichen Mittdreißiger hereinführte. Trotz der spätsommerlichen Witterung
trug er eine auffallend dick gepolsterte Jacke. Sein Gesicht zeichnete sich
durch eine ausladende Hakennase aus, unter die er, gewissermaßen als
Tropfenfänger, ein Papiertaschentuch hielt.
    »Also, Chef«, flötete Jo. »Kollege Vögelein wäre jetzt
da.«
    »Vögelein? Welcher Vögelein?«, spielte Wolf den
Unwissenden in der Hoffnung, den beiden möge die Flasche in seiner Hand
entgangen sein. Eilends verstaute er den Pastis hinter dem Ordner mit der
Aufschrift »Sonderfälle«, ehe er sich den beiden zuwandte.
    »Nun tun Sie nicht so, Chef. Ich hab Ihnen doch von
dem neuen Kollegen erzählt, wissen Sie nicht mehr?«, versuchte Jo ihm auf die
Sprünge zu helfen.
    »Lass mal, ich mach das schon«, unterbrach sie
Vögelein. »Ich bin der Neue, Hans-Norbert Vögelein, aber Sie können Hanno zu
mir sagen.« Zur Begrüßung streckte er Wolf die Linke hin, da die andere Hand
unter der Hakennase festgewachsen schien. »Entschuldigen Sie, kleiner
Schnupfen, nichts Ernstes«, näselte er.
    Halbherzig drückte Wolf Vögeleins Hand.
»Kommissarsanwärter, richtig?«
    »Richtig.«
    »Erfahrung?«
    »Bin vor einem guten halben Jahr in Freiburg
abgegangen, die Noten ersehen Sie aus meiner Personalakte. Danach war ich bei
der Kripo Rottweil, erstes Dezernat. Bis vor zwei Tagen. Kommt ein bisschen
plötzlich, der Wechsel, ich weiß, aber ich wollte schon immer an den Bodensee,
also hab ich die erstbeste Chance genutzt. Sie haben übrigens einen guten Ruf,
auch in Rottweil. Alte Schule, sagte man mir, sehr zielgerichtetes Arbeiten,
ich freu mich schon drauf. Wenn es jetzt noch einen zuverlässigen Internisten
und eine gute Klinik am Ort gibt, umso besser.« Als Wolf eine Augenbraue
hochzog, fügte er schnell hinzu: »Keine Angst, nur für Notfälle.«
    Offenbar ein Hypochonder, wie er im Buche stand.
Hoffentlich jammert mir der Kerl nicht den lieben langen Tag die Hucke voll,
dachte Wolf. Mitarbeiter, die ständig mit einer Leidensmiene herumliefen,
konnte er ums Verrecken nicht leiden.
    »Wir haben dich erst morgen erwartet«, raunzte Wolf
den Neuzugang an. Vögelein sah ihn irritiert an. Ein Chef, der seine
Mitarbeiter ohne Umschweife duzte, selbst aber gesiezt wurde, schien ihm neu zu
sein. Macht nichts, er wird sich dran gewöhnen, dachte Wolf. Das kam bei der
Polizei schließlich häufiger vor, im Übrigen hatte es sich ohne sein Zutun
ergeben. Die förmliche Anrede ihm gegenüber war wohl eine Frage des Respekts.
Oder des Alters?
    »Richtig«, antwortete Vögelein folgsam. »Aber ich bin
bereits gestern in Überlingen eingetroffen, und da wollte ich diesen Tag nicht
einfach vertrödeln. Nehme doch an, dass Sie dringend Verstärkung brauchen nach
dem Abgang dieses … wie hieß er doch gleich?«
    »Genau!«
    »Also, wo ist mein Platz, was kann ich tun?«
    »Jo zeigt dir deinen Schreibtisch und macht dich mit
den anderen Kollegen bekannt. Wir treffen uns um acht Uhr dreißig hier bei
mir.« Wolf griff zum Telefon, um deutlich zu machen, dass die Vorstellung
beendet war.
    Bei Lichte betrachtet war es vielleicht gar nicht so
übel, den Neuen gleich ins kalte Wasser zu werfen. Wenn er sich gut machte,
konnte er ihn auf die Brandserie ansetzen. Hier bestand inzwischen dringender
Handlungsbedarf, besonders nach dem Anschlag auf die »Crown of St. Gallen«.
Dann hätten er und Jo endlich den Kopf frei für den Fall Tammy/Weselowski – er
korrigierte sich: den Fall Tammy/Weselowski/Hohnisch.
    Diesen Einfall fand er so gut, dass er sich
postwendend eine Gitanes ansteckte. Paffend stand er am Fenster und sah, wie so
häufig, zu den Baumriesen des nahen Stadtparks hinüber. Dabei versuchte er,
seine Gedanken zu ordnen – doch vergebens. Immer wieder drängte sich das
Geschehen vom frühen Morgen in seine Überlegungen. Er sah den Schweizer
Schiffseigner vor sich, sah, wie er von Flammen umzüngelt ins Wasser sprang und
wenig später vor ihnen auf dem Bootssteg lag, mehr tot als lebendig. Wo hatte
sich der Mann bis zu seinem Auftauchen an Deck aufgehalten? Warum kam er erst
so spät nach oben?
    Mit Gewalt musste Wolf sich von diesen Bildern

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