Seefeuer
reden.«
»Bleibt noch Tammys Bruder. Er ist im Augenblick der
Einzige, der ein glaubhaftes Tatmotiv hat«, stellte Jo fest.
»Vergiss es. Es stimmt, er hätte ein Motiv, nämlich
Rache für den Tod seiner Schwester. Aber als Racheengel taugt er nicht. Dafür
ist er viel zu zartbesaitet.«
Vögelein räusperte sich. »Diese Tammy hat Drogen
genommen, sagten Sie. Ich meine, wenn es ein ›Rosarotes Ballett‹ gibt, können
wir getrost davon ausgehen, dass sie nicht das einzige Mädchen bei den
Spielchen war. Da muss es noch andere gegeben haben, dafür sprechen auch die
Abtreibungen. Drogen fallen aber nicht vom Himmel, irgendjemand hat sie ihnen
verabreicht. Was ich sagen will: Könnten nicht die Lieferanten des Stoffes
hinter den Morden stecken? Ich meine, es wäre ja nicht das erste Mal, dass sich
Drogendealer unliebsame Zeugen vom Hals schaffen, oder?«
»Auf jeden Fall ein Ansatz, den wir weiterverfolgen
sollten«, meinte Wolf anerkennend. »Ich schlage vor, wir nehmen umgehend
Kontakt mit den Kollegen vom Rauschgiftdezernat auf. Rolf, könntest du das bitte
übernehmen? Sicherheitshalber knöpfen Jo und ich uns noch einmal Philip Reich
vor.« Als er Vögeleins fragenden Blick sah, fügte er hinzu: »Tammys Bruder.
Einen festen Freund scheint sie nach übereinstimmenden Aussagen nicht gehabt zu
haben …« Das Klingeln des Telefons unterbrach Wolfs Ausführungen. Er entschuldigte
sich bei den Kollegen, ehe er den Hörer abnahm und sich meldete. Eine Minute
lang hörte er schweigend zu, nur unterbrochen von einem kurzen »Ja, verstehe«,
ehe er den unsichtbaren Gesprächspartner bat: »Behalten Sie diese Information
bitte unter allen Umständen für sich, es darf nichts nach außen dringen.« Mit
einem abschließenden Dankeschön legte er auf.
Dann sah er mit ernster Miene in die Runde. »Das war
die Klinik. Züngli ist vor einer halben Stunde gestorben, ohne das Bewusstsein
wiedererlangt zu haben.«
»Scheiße«, fluchte Marsberg. »Damit hat sich unser
wichtigster Zeuge aus dem Staub gemacht.«
Wenig
später löste Wolf die Besprechung auf. Jo, Vögelein und Marsberg hatten sich
gerade von ihren Stühlen erhoben, als jemand an die Tür klopfte. Fast
gleichzeitig mit Wolfs »Herein!« betrat Manfred Schönwald den Raum. Da er mit
der Untersuchung des Schiffsbrandes betraut worden war, konnte sein Erscheinen
nur mit dieser Aufgabe zusammenhängen. Wolf machte Schönwald mit Vögelein
bekannt, ehe er ihm einen Stuhl anbot. »Sind Sie etwa wegen der ›Crown of St.
Gallen‹ hier? Donnerwetter, das ging aber fix.«
»Auf Wunsch wird gehext«, gab Schönwald grinsend
zurück. Er nahm seine schwarze Umhängetasche ab und stellte sie auf den Tisch.
Dann sah er die anderen reihum an. »Was ich Ihnen jetzt berichte, ist nur
vorläufig, die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Morgen Nachmittag
haben Sie das abschließende Gutachten. Fest steht auf jeden Fall, dass die
Täter Brandbeschleuniger eingesetzt haben, diesmal vermutlich Äthanol, besser
bekannt unter dem Namen Spiritus. Außerdem haben wir Hinweise auf mehrere Zeitzünder
gefunden, dabei wurden umgebaute Wecker verwendet. Wichtiger für Sie dürfte
aber etwas anderes sein, deswegen bin ich eigentlich hier: An Bord des Schiffes
gab es eine kleine Innenkabine, so eine Art Kontrollraum, vollgestopft mit
Elektronik. Natürlich fiel das meiste davon den Flammen zum Opfer, einiges aber
konnten wir retten. Jetzt werden Sie fragen: Was hatte der Eigentümer des
Schiffes mit dem Zeug am Hut? … Übrigens, wie geht es ihm?«
»Tut mir leid, dazu lässt sich im Moment nichts
sagen«, antwortete Wolf ungerührt und drehte sich zu seinen Mitarbeitern um.
»Aber ich schlage vor, wir setzen uns wieder, das scheint doch etwas mehr Zeit
in Anspruch zu nehmen.«
»Gute Idee«, fuhr Schönwald fort. »Ist ohnehin besser,
Sie schauen sich das, was ich mitgebracht habe, im Sitzen an. Zurück zum
Schiff: Wir haben uns gefragt, wozu der Mann eine ganze Batterie Monitore
benötigte, ganz abgesehen von den vier Rechnern, die wir in der Kabine gefunden
haben. Dann sind wir jedem einzelnen Kabelausgang nachgegangen – und was soll
ich Ihnen sagen: Jede der acht Doppelkabinen war mit diesem Kontrollraum
verbunden. Optisch verbunden, wenn Sie verstehen, was
ich meine. In jeder Kabine gab es eine versteckt eingebaute Minikamera mit
direkter Verbindung zu je einem der Monitore im Kontrollraum.«
»Mo… Moment mal«, stotterte Marsberg, »soll das
heißen, von dort
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