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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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inzwischen ganz oben, nämlich beim BKA , angesiedelt. Der Stoff ist ein wahres
Teufelszeug. Dabei ist Crystal nicht etwa eine Erfindung unserer Tage. Bereits
im zweiten Weltkrieg sollen deutsche Nachtjäger und Bomberpiloten mit
Methamphetamin, das ist der Grundstoff von Crystal, auf ihre Kampfeinsätze
vorbereitet worden sein. In einschlägigen Fachbüchern wird auch der Begriff
›Hitler’s Drug‹ verwendet …« Sommers Telefon schellte.
    Als er den Hörer wieder auflegte, sah er seine beiden
Hauptkommissare an. »Einen gewissen Trost hat’s erwischt …«
    »Den Druckereibesitzer? Er steht auf der
Teilnehmerliste der Bootspartys ganz weit oben. Was ist passiert?«
    »Ein Wagen hat ihn beim Rückwärtsausparken
eingeklemmt, auf dem Parkplatz vor seinem Betrieb. Das ist draußen …«
    »Wir wissen, wo das ist.«
    Wolf hob zum Abschied nur kurz die rechte Hand und
stürmte, Marsberg im Kielwasser, auf den Flur hinaus. Adieu, du schöner,
geruhsamer Abend daheim auf der Couch, umschmeichelt von Ravels »Sonate für
Violine und Cello«, die Katze auf dem Schoß und ein Glas Pastis in der Hand –
das konnte er sich nun abschminken. Wurde höchste Zeit, den Dienst endlich zu
quittieren, dachte Wolf.
    Im Laufen steckte er sich eine Zigarette an.
»Entschuldige, Rolf, aber das muss jetzt sein.«
    ***
    Um
Trost bergen zu können, hatte der Notarzt den auffahrenden Wagen durch einen
Streifenbeamten einen Meter zurücksetzen lassen. Der hatte sorgsam darauf geachtet,
ein Taschentuch über Lenkrad und Schaltknüppel zu legen, um eventuelle
Fingerabdrücke nicht zu verwischen. Bei Trost jedoch waren alle Bemühungen
vergebens: Der Druckereibesitzer hatte keinen Hauch mehr von sich gegeben. »Tod
durch Herzversagen, verursacht durch Schock nach Abquetschen der Beine zwischen
zwei Kraftfahrzeugen«, schrieb der Notarzt in sein Unfallprotokoll. Die
erfahrenen Beamten des über den Notruf alarmierten Streifenwagens hatten
bereits den Abtransport der Leiche eingeleitet. Bei der Suche nach Zeugen waren
sie auf einen gewissen Schneider gestoßen, nach eigenen Angaben Druckereileiter
in Trosts Betrieb. Er hatte ausgesagt, den Tathergang von einem Fenster im
ersten Stock aus beobachtet zu haben. Sie hatten Schneiders Personalien aufgenommen
und ihn gebeten, sich für eine ausführliche Vernehmung bereitzuhalten.
    Als Wolf und Marsberg eintrafen, tauschten sie sich
zunächst mit der Streifenwagenbesatzung aus, ehe sie das Tatfahrzeug unter die
Lupe nahmen.
    »Ein Lotus«, stellte Wolf fest und umlief das
windschnittige Fahrzeug.
    »Und zwar ein Esprit S4«, ergänzte einer der
Uniformierten, der sich bei Automarken offenbar bestens auskannte. »Nicht
gerade alltäglich in Überlingen, würde ich sagen.«
    »Für unsere Gehaltsklasse jedenfalls einige Nummern zu
groß«, pflichtete ihm Marsberg bei.
    Vorsichtig durchsuchten sie den Innenraum des
Fahrzeugs, konnten aber keine Besonderheiten feststellen. »Die Spurensicherung
muss her«, meinte Marsberg. Er ging zu ihrem Wagen zurück, um die Schneemänner
zu rufen. »Und stellt bitte fest, wer der Halter des silbernen Lotus Esprit S4
mit folgendem Kennzeichen ist …«, fügte er hinzu und gab der Zentrale die
Nummer durch.
    Auf dem Weg zu Schneider sahen sie einen extralangen
schwarzen Mercedes vorfahren, dessen Fenster mit silberfarbenen Gardinen
verhüllt waren: der Bestattungsunternehmer. Zwei Männer, ebenfalls in Schwarz,
entluden einen Zinksarg, in den sie Trost hineinlegten.
    Schneider
glich einem Nervenbündel. Immer wieder beteuerte er, wie rasend schnell sich
alles abgespielt habe und dass er nicht das Geringste für seinen Chef habe tun
können.
    »Bitte beruhigen Sie sich, Herr Schneider – ganz
ruhig! Erzählen Sie uns der Reihe nach, was vorgefallen ist. Am besten lassen
Sie uns zu der Stelle gehen, von der aus Sie das Geschehen beobachtet haben.«
    »Sie müssen wissen«, begann Schneider, als sie vor dem
Fenster im ersten Stock angelangt waren, »als Druckereileiter bin ich für die
Einhaltung der Liefertermine verantwortlich. Die sind in der Regel nur zu
packen, wenn alle Maschinen laufen. Genau daran hapert es aber heute: Die neue
Roland-Fünf-Farben-Offset-Maschine gibt seit über einer Stunde keinen Mucks
mehr von sich, wir haben das Scheißding abschalten müssen. Dem zuständigen
Drucker ist beim Einrichten der Form ein kleiner Inbusschlüssel aus der Hand
gefallen und zwischen die laufenden Zylinder geraten – schon war der
Gegendruckzylinder im Eimer.

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