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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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Unrecht verdächtige?
    Niemals, wiederholte Werner. Dann robbten sie durch das Gestrüpp zurück.
    Als sie sich wieder auf das Motorrad setzten, sagte Werner: Wenn Gerald ein solcher Amifreund sei, dann werde er irgendwann Flagge zeigen müssen.

Kluftinger versuchte, sich am Forscherteam, dessen Mitglieder noch immer die Reste dessen zusammenräumten, was von ihrem Equipment übrig geblieben war, möglichst unbemerkt vorbeizuschleichen.
    Dampfend lag der See an diesem Mittwochmorgen im Wald. Es war kalt, doch über die Baumwipfel warf die Sonne bereits die ersten Strahlen auf das Wasser.
    Niemand hatte auf Kluftinger geachtet, der nun zu Fuß vom Weg in den Wald abbog. Er hörte ein leises Klopfen, das immer lauter wurde, je näher er der Hütte des selbst ernannten Schamanen kam. Er bog um ein paar Bäume, die in den Weg hineinragten, und sah den zotteligen Mann, der genauso gekleidet war wie vor gut einer Woche: Norbert Schnalke hämmerte an seiner Holzhütte herum. Als Kluftinger näher kam, sah er, dass er in die Wand eine horizontal geteilte Tür eingebaut hatte. Eine Tür, wie man sie von alten Pferdeställen kannte. »Guten Morgen, Herr Schnalke. So, haben Sie jetzt doch eine Tür eingebaut?«
    »Hallo, grüß dich«, erwiderte der Schamane fröhlich. »Ja, ich bin dir echt dankbar, du hast mich auf eine Idee gebracht. Was willst du überhaupt?«
    »Ich würde mir gern Ihren Ofen noch einmal ansehen«, sagte Kluftinger und bemühte sich darum, möglichst sachlich und neutral zu klingen.
    »Der hat dir gefallen, hm? Von mir aus, geh schon mal rein.«
    Kluftinger fasste den Türgriff, da schrie Schnalke auf, lief zu ihm und erklärte: »Was glaubst du, warum die zweigeteilt ist? Damit das Qi drin bleibt! Du darfst nur den oberen Teil aufmachen.«
    »Das Qi, ich weiß«, seufzte der Kommissar und stieg ähnlich umständlich wie das letzte Mal in den wieder völlig überheizten Raum.
    Als er sich bückte, um sich den Ofen genauer anzusehen, kam Schnalke ihm nach. »Ich hab dieses Metallding da im Wald gefunden, nicht weit von hier, im Faulenbacher Tal. Und da hab ich mir gedacht, da kann man einen prima Ofen draus machen. In Kanada haben sie lauter solche Öfen in ihren Hütten, aus alten Fässern und so. Ich hab das Ding also aus dem Wald geholt. Das war vielleicht schwer, sag ich dir! Ich also zum Siggi damit, der hat unten in Weißensee eine alte Schlosserei, und frag, ob er mir einen Ofen draus baut. Der Siggi hat das Ding dann aufgeflext und das Zeug, das noch drin war, weggeworfen. Und so ist mein Ofen entstanden. Schön, gell?« Schnalke grinste stolz und wiegte selbstzufrieden seinen Kopf, so dass die Perlen an den Enden seiner langen Zotteln gegeneinander schlugen.
    Kluftinger nahm das Metallteil genau in Augenschein: Es lief spitz zu, die obere Hälfte der Rundung war durch eine Stahlplatte ersetzt. Vorn ruhte es auf gusseisernen Füßen, hinten schien es auf einer Art Leitwerk oder Ruder zu stehen. Kluftinger schob einen Strohsack beiseite, um den hinteren Teil besser in Augenschein nehmen zu können. Da hörte er das Klingeln eines Telefons. Der Kommissar langte automatisch an seine Jackentasche, doch dann realisierte er, dass es nicht sein Klingelton war. Ungläubig sah er Schnalke an.
    »Sie haben ein Handy?«
    »Hm?«, tat der unbeteiligt, »was sagst du?«
    »Ihr Handy klingelt, wollen Sie nicht rangehen?«
    »Handy? Wie? Ich höre nix«, sagte der Schamane und schüttelte lautstark seine Perlen-Zotteln.
    Kluftinger überlegte, ob er den Mann auf die Gefahren von Handystrahlung für das Qi-Gleichgewicht aufmerksam machen sollte, doch er verwarf den Gedanken.
    Er legte sich parallel zum Ofen auf den Boden, denn er meinte, an der Unterseite eine Art Typenschild entdeckt zu haben. Er blies dagegen, um die Stelle vom Staub zu befreien, und streckte die Finger danach aus. Einen Wimpernschlag später hatte er das Gefühl, als wehe durch die Schwitzhütte ein eisiger Windhauch: Auf dem silbernen Schild war deutlich sichtbar ein Hakenkreuz eingeschlagen. Daneben konnte er die Worte »RLM 1943« und eine mehrstellige Ziffernkombination erkennen. Hastig kramte er in einer Jacke, zog Papier und Stift heraus und schrieb das Schild ab. Als er das letzte Wort, das darauf eingraviert war, auf seinen Notizblock übertrug, bebten seine Lippen:
    »Projekt Seegrund« wiederholte der Kommissar fast lautlos.

    12. Februar 1947

    Versonnen sah er auf die Wasseroberfläche. Er klappte den Kragen des alten, speckigen

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