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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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Wut, als der Doktor grinsend seine Höllenmaschine in die Auffahrt rollte. Seine Hände schlossen sich so fest um den Griff der Schneeschaufel, dass die Knöchel weiß hervortraten. Nur unter Aufbringung seines ganzen Willens schaffte er es, Langhammer die Schaufel nicht über den Schädel zu hauen.
    »Hören Sie, das braucht’s wirklich nicht, so krank bin ich nicht«, versuchte er den Arzt abzuwimmeln, doch gegen ihn und gegen seine eigene Frau, hatte er keine Chance. Er fühlte sich regelrecht entmannt, als Langhammer den Auswurfkamin zur Seite kurbelte und das Fräswerk startete, worauf sich die Maschine röhrend in Gang setzte. Aus einer Tasche seines Anoraks holte der Doktor einen Gehörschutz und setzte ihn auf. Wie eine wild gewordene Mickymaus hüpfte er hinter der Fräse her.
    »Wissen Sie, das ist ein schöner Ausgleich für mich«, brüllte der Doktor und seine weiße Zahnreihe leuchtete dabei noch heller als der Schnee, den der Scheinwerfer der Fräse anstrahlte. »Ich habe heute eine sehr komplizierte endoskopische OP ambulant durchgeführt, da habe ich gar nichts gegen ein bisschen grobe Arbeit am Abend. Und was haben Sie so getrieben?«
    Kluftinger meinte, deutlich die Geringschätzung in dieser Frage herauszuhören. »Ach, nur ein welthistorisches Rätsel gelöst und mir dabei den Weg in die Geschichtsbücher geebnet«, antwortete der Kommissar und versuchte, es möglichst beiläufig klingen zu lassen.
    Der Doktor sah ihn ein paar Sekunden lang prüfend an, dann zeigte er wieder sein breites Lächeln und winkte ab: »Ach, Sie immer mit Ihren Späßchen. So, jetzt muss ich aber mal loslegen, sonst kommen Sie heute nicht mehr in Ihre Einfahrt!«
    Mit diesen Worten ließ er den Motor aufheulen und setzte seine Maschine in Bewegung, die sofort Unmengen Schnee aus dem Kamin an den Rand der Einfahrt spuckte. Als der Doktor sich umdrehte und sah, dass ihn der Kommissar mit großen Augen beobachtete, streckte er stolz die Brust heraus und legte noch einen Zahn zu. Schnell wandte sich Kluftinger ab und ging ins Haus.
    »Der tut grad so, als hätt er das Ding entwickelt«, grantelte Kluftinger im Hausgang vor sich hin. Es ärgerte ihn, dass der Doktor seinen Blick bemerkt hatte. Er überlegte fieberhaft, wie er die erlittene Schmach wieder wettmachen könnte. Auf einmal hellte sich seine Miene auf und er lief in den Keller, wo er die billigste Flasche Wein aus dem Regal zog, die er finden konnte. Zusammen mit einem Zwei-Euro-Stück und einem Blatt Papier, auf das er die Worte »Fürs Benzin! Danke!« schrieb, legte er sie vor die Tür.
    Als er vor dem Zu-Bett-Gehen noch einmal nach draußen ging, um sein Auto in die Garage zu fahren, sah er, dass seine kleine Aufmerksamkeit noch immer an ihrem Platz stand. Er vermutete schon, dass sie der Doktor nicht gesehen hatte, da bemerkte er, dass ein weiterer Zettel zusammen mit einem Fünf-Euro-Schein daneben lag. Auf dem Papier stand in schwer leserlicher Ärztehandschrift: »Für ordentlichen Wein.«

    Als Kluftinger am nächsten Tag seinen Wagen auf den Parkplatz der Kemptener Polizei lenkte, erwartete ihn bereits sein Kollege Eugen Strobl. Es war ein kalter Donnerstagmorgen und die Sonne würde sich heute am trüben Himmel nicht sehen lassen. Wie so oft im Allgäu im Dezember. Vor der Polizei zog ein kleiner Traktor mit Schneepflug seine Runden, dessen knallroter Lack im Kommissar ungute Erinnerungen an den vorigen Abend wachrief. Kluftinger winkte dem Hausmeister vom Auto aus zu, als Strobl die Wagentür öffnete.
    »Morgen Eugen!«
    »Morgen. Das ist ein Service, was? Du kommst ins Büro und wir haben schon die ersten Ergebnisse. Brühwarm und frisch serviert.«
    Es war schon kurz vor neun. Gegen halb acht hatte Kluftinger im Büro angerufen und angekündigt, heute später zu kommen, weil er endlich auch einmal in den Genuss des reichhaltigen Frühstücks kommen wollte, das seine Frau »den Kindern« zur Zeit jeden Tag machte.
    »Ja, das ist schon ein gutes Gefühl, dass endlich wieder was weitergeht«, freute er sich, nachdem ihn Strobl unterrichtet hatte, man habe anhand der Meldebescheinigungen der Hotels Ackermann in einer kleinen Pension in Pfronten ausfindig gemacht.
    Als auf der rechten Seite das »Haus Annerose« auftauchte, ein schlichter Bau im Pfrontener Ortsteil Kappel, stand davor wie erwartet Friedel Marx und rauchte einen Zigarillo zu Ende. Vom Auto aus hatten sie sie noch angerufen und gefragt, ob man denn nun nach »Ried«, »Kappel«, »Dorf«

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