Seehaie
etwas Brisantes dabei herauskommen, bist du der Erste, der’s erfährt.
Wenn nicht, ist die Sache ohnehin gestorben. Es gibt keine Alleingänge von mir – ich schwöre!«
Tack-tack-tack. Sie passierten den »Affenfelsen«, ein
zwanzig Hektar großes Freigehege, in dem zweihundert Berberaffen den Besuchern
buchstäblich auf den Köpfen herumtanzten. Als sie den nachfolgenden
atemraubenden Anstieg mitten durch eine Fichtenschonung bewältigt hatten,
begann Matuschek unvermittelt zu seufzen.
»Er heißt Hanns-Peter Reuss, aber alle nennen ihn nur
Qualle. Du wirst sehen, warum. Er residiert in Stockach. Ich rede mit ihm.«
***
In der Hackerszene galt Qualle als das Genie. Der gelernte Netzwerktechniker war ein Virtuose
am Computer, ein absolut exzellenter Programmierer. Außerdem war er
Nachtmensch, Spätstarter und vor allem lethargisch bis zum Gehtnichtmehr –
zumindest so lange, bis man ihn mit einer IT -Herausforderung
konfrontierte. Außerdem war er unverschämt korpulent!
Er hatte den gespreizten Gang aller Dicken. Auf dem
Kopf trug er, schwarz wie seine Kleidung, stets einen breitrandigen Hut,
weshalb er von vielen auch »Don Camillo« gerufen wurde.
Vor gut fünf Jahren hatte er seine eigene Firma
gegründet. Er spürte Sicherheitslücken in Computernetzwerken auf, um sie
anschließend mittels selbst entwickelter »Security-Tools« gegen Angriffe von
außen abzuschotten. Das kam an – seine Kunden rannten ihm die Bude ein. Die war
in einem etwas heruntergekommenen, versteckt liegenden Stockacher Hinterhaus
untergebracht, von dem nur Eingeweihte etwas wussten.
»Wie heißt der Typ?« Qualle drehte sich zu Karin um,
die schräg hinter ihm saß. Man sah ihr an, dass sie nicht recht wusste, was sie
faszinierender finden sollte: sein abenteuerliches Outfit oder die
traumwandlerische Sicherheit, mit der er die Computertastatur malträtierte. Wie
alle Hacker, die was auf sich halten, arbeitete er ohne Maus.
»Karlheinz Hohmann.« Sie buchstabierte den Namen.
»Karlheinz Hohmann … Karlheinz in einem Wort, ja?«,
wiederholte er. »Nun, dann schau’n wir mal …« Er hämmerte den Namen in seine
Tastatur und ließ ihm einige Befehle folgen.
Nach einem Kontrollblick auf den Monitor fuhr er fort:
»Weiter! Der Name seiner Firma?«
Karin Winter nannte ihm die Hohbau G mb H . Als er auch das
eingegeben hatte, kommentierte er die Ergebnisse auf dem Bildschirm mit einem
befriedigten Grunzen. »Die arbeiten mit einem Wireless LAN ,
so viel steht schon mal fest.« Dann, als er die ratlose Miene der Journalistin
sah: »Das ist ein Funknetzwerk. Beliebte Technik, weil billig und bequem. Setzt
allerdings ein unterentwickeltes Sicherheitsbewusstsein voraus.« Wieder
beharkte er, immer ein Auge auf dem Bildschirm, seine Tasten. Nach einer kurzen
Pause lehnte er sich schnaufend zurück: »Es hat keinen Zweck. Wir sind zu weit
weg. Magst du einen Pudding?« Bereits bei der Begrüßung hatte er Karin das Du
angeboten. Das wirke sich förderlich auf das gemeinsame Projekt aus, hatte er
erklärt.
Karin lehnte dankend ab. Über Matuschek hatte sie von
Qualles Faible für die glibbrige Süßspeise erfahren. Am liebsten hatte er den
mit Schokoladengeschmack. Angeblich lagerte er ständig eine Kiste davon in
seinem übergroßen Frigidaire-Kühlschrank. Qualle quittierte Karins »Nein« mit
sichtbarer Genugtuung. Vermutlich war er erleichtert, dass er seine Vorräte mit
niemandem teilen musste.
Zwischen zwei Löffeln entschied er dann schmatzend über
die weitere Vorgehensweise: »Wir müssen direkt zu diesem Unternehmen, dieser
Hohbau G mb H in
Markdorf. Zumindest in ihre Nähe, sonst kommen wir nicht weiter.«
***
Qualle
fuhr, wie er sich bewegte: gemächlich und doch irgendwie zielgerichtet (er
selbst hätte es eher als ökonomisch bezeichnet). Nach einer knappen Stunde
sahen sie das Hohbau-Verwaltungsgebäude vor sich, das um diese Zeit einen
verlassenen Eindruck machte. Qualle stellte sich neben die Einfahrt und löschte
die Lichter. Während er sein Notebook auf dem Beifahrersitz abstellte, musste
sich Karin nach hinten setzen. Dann bat er sie, eine Antenne auf dem
Fahrzeugdach zu postieren – das Ein- und Aussteigen war nicht so seine Sache,
kein Wunder bei fast drei Zentnern Lebendgewicht.
»In diesem Notebook steckt ein Intel Centrino, eine
Kombination aus Prozessor und WLAN -Adapter. Ist
tausendmal besser als eine billige Netzwerkkarte. Alles Weitere besorgt der
Sniffer.«
»Mensch Qualle, du weißt genau,
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