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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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geradezu
prächtig entwickelt hatte und ganz offensichtlich auf einen neuen Hitzerekord
zustrebte, glich ihre Arbeit eher einer kalten, undurchdringlichen Nebelfront.
Immer wenn sie glaubten, sie endlich durchstoßen zu können, zogen neue Schwaden
auf.
    Von solchen und anderen, ähnlich deprimierenden
Vorstellungen geplagt, ging er wie in Trance zu seinem Schrank, nahm den Ordner
mit der Aufschrift »Sonderfälle« heraus und griff sich die dahinterstehende
Flasche. Großzügig schenkte er ein.
    Als er sein Glas geleert hatte, wusste er, was zu tun
war: Er musste noch einmal auf die Konstanzer Großbaustelle. Wenngleich er es
rational nicht begründen konnte, war er sicher, dort den Schlüssel zur Lösung
ihres Falles zu finden.

16
    Wolf stand auf dem Oberdeck der Fähre und
ließ sich den kühlen Morgenwind um die Nase wehen. Er wusste: Drei Stunden
später würde es ihm bereits wieder den Schweiß aus allen Poren treiben. Er
schaute hinüber zu den Touristen, die sich unweit des Fährschiffes auf einem
der schmucken Ausflugsboote drängten und sich in wenigen Minuten über die
Blumeninsel Mainau ergießen würden. Für einen kurzen Augenblick war er
versucht, Patzlaffs Drängen nachzugeben und den Dienst bei der Kripo endlich zu
quittieren. Hatte er es nötig, auf seine alten Tage noch Verbrecher zu jagen
und sich nebenbei ständig neue fragile Strategien auszudenken, die es ihm
möglich machten, seine ganz persönliche Dienstauffassung mit der seines
ungeliebten Chefs unter einen Hut zu bekommen?
    Ehe er auf die Frage eine schlüssige Antwort fand,
legte die Fähre in Staad an. Kurze Zeit später fuhr er von Bord und schlug den
Weg Richtung Konstanz ein. Hinter der Rheinbrücke hielt er sich links,
chauffierte an wunderschönen, vom Krieg verschonten Patrizierhäusern vorbei,
passierte den Bahnhof und befand sich kurze Zeit später nahe dem Wald aus
Baukränen, der das neu entstehende Tourismuscenter direkt an der Grenze zum
schweizerischen Kreuzlingen markierte.
    Er stellte seinen Dienstwagen etwas entfernt vom
Baugelände ab und steuerte den Container mit der Aufschrift »Bauleitung« an.
Die verbrannten Container waren inzwischen entfernt und durch neue ersetzt
worden. Sonst hatte sich nicht viel verändert.
    Der Bauleiter entpuppte sich als stämmiger,
umsichtiger Vierzigjähriger und schien über Nerven wie Drahtseile zu verfügen.
Die brauchte er auch. Bereits jetzt herrschten in der »Büroblechdose« tropische
Temperaturen – und es ging zu wie in einem Bienenstock, allerdings wesentlich
lauter. Mindestens fünf Leute redeten gleichzeitig, warfen sich unverständliche
Fachbegriffe zu, breiteten Pläne und Listen aus, ständig klingelte irgendwo ein
Telefon. Die drei Schreibtische waren mit Büroutensilien, Teilemustern und vor
allem Unmengen von Papier übersät. Wolf erkannte Materiallisten, Lieferscheine,
Statikberechnungen, Detailpläne.
    Als sein Blick über einen der Tische glitt, blieb er
an einer kurzen PC -Notiz hängen. Es handelte sich
um eine Anordnung, den Einsatz von Kipplastern betreffend. Nicht die Mitteilung
an sich war das Interessante, sondern der Unterzeichner.
    Er hieß Starek!
    Im Augenblick konnte Wolf damit jedoch wenig anfangen.
Er besann sich auf den Grund seines Hierseins und machte sich endlich bei dem Bauleiter
bemerkbar.
    » Was sind Sie? Von der
Kripo? Haben wir gegen eine Bauvorschrift verstoßen oder was?«, brüllte der
Herr des Bienenstocks gegen das allgemeine Sprachgewirr an und nahm bereits
wieder seinen Telefonhörer auf. Obwohl er sich nicht vorgestellt hatte, wusste
Wolf inzwischen, dass er Wiegand hieß.
    »Geben Sie mir eine Minute«, rief er dem Bauleiter zu
und drückte mit Nachdruck die Telefongabel nach unten.
    »Kommen Sie, gehen wir an die frische Luft«, dröhnte
Wiegand zurück.
    Draußen fingerte Wolf zunächst ein Päckchen Gitanes
hervor und hielt sie einladend dem Bauleiter hin. Als der ablehnte, war er
selbst eine Sekunde lang unschlüssig, steckte die Schachtel dann seufzend
wieder ein.
    »Gibt es etwas Neues über die Morde an unseren beiden
Fahrern?«, fragte der Bauleiter.
    »Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, es
gibt immer noch offene Fragen. Zum Beispiel die, was Ploc hier auf der
Baustelle genau gemacht hat.«
    »Er hat Erdaushub und Abrissschutt auf die umliegenden
Deponien gefahren und Baumaterial geholt: Sand, Kies, Steine, Stahlträger, was
eben gerade gebraucht wurde. Das trifft auch auf Juratovic zu. Die beiden

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