Seehaie
bekommen. Nicht dass er sich von seinen Recherchen besonders
viel versprochen hätte. Aber der Name des Müllkönigs war in den letzten Tagen
etwas zu häufig aufgetaucht, als dass er das einfach ignorieren konnte.
Maywaldt, so viel hatte er immerhin herausbekommen,
war Gründer und Mehrheitsgesellschafter der MERAG ,
der Maywaldt Entsorgungs- und Recycling AG mit Stammsitz in Ravensburg. Darüber hinaus unterhielt das Unternehmen ein
gutes Dutzend Dependancen und Tochterfirmen in der Region zwischen Schwarzwald
und Allgäu.
Bei den entsprechenden Dienststellen der Polizeidirektion
Ravensburg lag gegen Maywaldts Betriebe rein gar nichts vor, von einigen
wenigen Bagatellfällen abgesehen. Die Kollegen vor Ort hatten sich über Wolfs
Anfrage sogar gewundert, obwohl er seinen Auftritt geschickt als kollegialen
Routinebesuch ausgegeben und seine Fragen mehr oder weniger beiläufig gestellt
hatte. Er wollte vermeiden, dass Patzlaff über den kleinen Dienstweg Wind von
seinen Recherchen bekam und ihn wieder zur Schnecke machte. Aus demselben Grund
hatte er vorerst auch von einem Besuch bei der Industrie- und Handelskammer und
dem für Müllfragen zuständigen Dezernat des Landratsamtes abgesehen.
Auf der Fahrt ließ er sich das Gehörte noch einmal
durch den Kopf gehen, als sich Jo über Funk meldete.
»Wo sind Sie gerade, Chef?«
»Auf der Rückfahrt von Ravensburg. Was gibt’s?«
»So langsam scheint Bewegung in unseren Fall zu
kommen. Lassen Sie sich überraschen. Um 15.30 Uhr im Büro, geht das?«
»Geht. Bis dahin dürfte auch Tante Lu zurück sein.«
Jo kicherte. »Bis später also.«
Eigentlich hatte Wolf mit dem Gedanken gespielt, noch einen
Abstecher zum Gehrenberg zu machen. Das konnte er sich nun abschminken. Was im
Grunde nicht weiter tragisch war, denn für ein Bier im Garten war es zu kühl
und für eine gescheite Fernsicht zu diesig.
***
Wolf
legte den Hörer auf. Auch Marsberg hatte auf die Frage nach Maywaldt passen
müssen. »Der Mann und sein Laden haben eine blütenreine Weste«, hatte er ihm
attestiert. Und auch im Fall des verschwundenen Architekten gebe es noch keinen
Fortschritt.
Er schaute auf die Uhr. Höchste Zeit, dass er sich auf
die Socken machte. Jo hatte zu der Besprechung um 15.30 Uhr ins kleine
Konferenzzimmer gebeten. Er war sicher, dass sie dafür einen triftigen Grund
hatte.
Als er den Raum betrat, wollte er sich ohne Umschweife
für seine Verspätung entschuldigen, doch irgendetwas irritierte ihn. Dann
erkannte er den Grund: Jo trug, anders als heute früh, ein rotzfreches buntes T-Shirt
mit einem Ausschnitt, der zumindest als gewagt zu bezeichnen war. Unbewusst
pfiff er durch die Zähne.
»Behalten Sie bitte Ihre Bemerkungen für sich, Chef.
Alle anzüglichen Witze hat Kollege Kalfass bereits vom Stapel gelassen.«
»Nein, nein, du hast mich missverstanden«, antwortete
Wolf lächelnd. »Steht dir ausgezeichnet, ehrlich. Warum sollen
Kriminalbeamtinnen in Sack und Asche gehen? Ich bin sicher, Ludger sieht das im
Grunde ebenso, stimmt’s?«
Kalfass riskierte einen verstohlenen Blick, der einen
Moment zu lange auf Jos deutlich sichtbarem Brustansatz hängen blieb. »Nun, es
ist keinesfalls so, dass ich etwas dagegen hätte, im Gegenteil …«
»Nachdem das zur allgemeinen Zufriedenheit geklärt
wäre, kann’s ja endlich losgehen. Was hast du rausgekriegt, Jo?« Wolf fischte
ein Päckchen Zigaretten aus seiner Hosentasche und schickte sich an, eine
zwischen die Lippen zu stecken. »Keine Sorge, ich rauche kalt!«, winkte er ab,
als er die vorwurfsvollen Blicke seiner Mitarbeiter bemerkte.
»Was das Alibi angeht, so ist diese Jeanne eine echt
harte Nuss. Obwohl – Geschmack hat sie ja.« Dabei zog sie das neue T-Shirt
straff, was ihre Brust erst recht zur Geltung brachte. Kalfass bekam erneut
Stielaugen.
»Willst du damit sagen, das gute Stück ist von
Jeanne?«, staunte Wolf.
»Klar. Hab ich heute morgen gekauft. Ich wollte mir
ein Bild von ihrem Laden machen. Inkognito.«
»Und wenn die Prechtl nun da gewesen wäre?«, mischte
sich Kalfass ein.
»Hab ich natürlich vorher telefonisch abgeklärt. Die
Boutique scheint jedenfalls gut zu laufen. Später hab ich mich dann geoutet,
wie man auf Neudeutsch sagt. Als ich von den beiden Angestellten wissen wollte,
wo ihre Chefin am Vortag zwischen dreizehn und fünfzehn Uhr gewesen ist,
schworen sie Stein und Bein, sie sei bereits um zwölf mit ihrem Wagen
weggefahren. Sie gingen sogar so weit, mir ihren
Weitere Kostenlose Bücher