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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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geschickt, um Missk zu fragen. Wie sollten wir sonst darauf kommen, wenn jemand nur ein Paar Söckchen ohne Absender schickt?»
    «Na, irgendwer will irgendwas von unserer Missk. Wem sollten sie sonst passen? So klein wie sie sind!»
    «Das stimmt», sagte Lorel. «So kugelrund Missk sonst auch ist, ihre Füße sind winzig.»
    «Genau wie bei einer Robbe.» Tatty ging so in ihrer Gehässigkeit auf, dass sie Mum gar nicht bemerkte, die vom Ofen her auf sie zusteuerte. «So wie sie – aua! Ich wollte doch nur sagen …» Sie griff sich an den Hinterkopf und starrte Mum zornig an. Dabei fiel ihr der Löffel aus der Hand, landete in ihrem Teller und spritzte Haferbrei über den Tisch. Mum, die Schöpfkelle fest in der Hand, ignorierte Tattys Blick. «Sie haben diese winzigen Schwanzflossen, wollte ich bloß sagen, mit denen sie ihre fetten Riesenkörper vorwärtswuchten!» Während sie von den
fetten Riesenkörpern
sprach, funkelte sie mich so wütend an, als hätte
ich
sie geschlagen.
    «Frag Fisher, wer die Socken gekauft hat», forderte mich Bee über den Tisch hinweg auf, «dann wissen wir, wer dein Verehrer ist.»
    Den Gefallen tat ich ihnen nicht, also gingen Bee und Lorel am Nachmittag mit den Socken selbst zu Fisher in den Laden runter. Enttäuscht kehrten sie zurück. «Er sagt, sie wurden nicht bei ihm gekauft», berichtete Bee. «Dieses Modell hat er nie geführt, sagt er; jemand muss sie in Cordlin gekauft haben.»
    «Sie sehen ziemlich neu aus», sagte Mum, nahm Lorel die Socken aus der Hand und sah sie sich genauer an. Sie hielt sie sich vor die Nase und roch daran. «Lavendel. Und Mottenkugeln. Die lagen bestimmt jahrelang bei einer alten Frau in einer Truhe mit Mottenkugeln.»
    «Da seht ihr’s!», rief Ann Jelly Billy triumphierend zu. «Amblers Urgroßmutter! Ein letztes Geschenk von ihr, bevor sie stirbt.»
    Schließlich fanden die Socken wieder ihren Weg zu mir zurück, nachdem jeder daran herumgetatscht und Theorien dazu aufgestellt hatte. Ich strich sie auf meinem Knie glatt, stellte mir vor, wie sie auf der sonnenbeschienenen Schneewehe gelegen und darauf gewartet hatten, von mir entdeckt zu werden. Ich versuchte, die Umrisse der Person darin zu erkennen, die den Weg zu uns gemacht hatte, vermutlich vor Sonnenaufgang, damit sie die Socken unbeobachtet ablegen und schnell wieder verschwinden konnte.
     
    Fishers Urgroßvater war ein verhutzeltes Männlein. Er saß in Decken gehüllt vor dem Kaminfeuer im Laden. Ich lungerte in seiner Nähe herum. Es war schwierig, ihn allein zu erwischen, weil jeder, der hereinkam, ein Schwätzchen mit ihm hielt – doch wäre ich zu einer ruhigeren Stunde gekommen, hätten die Leute meinen Besuch bemerkt.
    Gerade war er dabei, Grangers Dad zu verabschieden. Sein Blick fiel auf mich, schwenkte aber direkt weiter, weil ich für ihn nicht von Bedeutung war, nur ein kleines Mädchen, das ihn angaffte.
    Mrs. Fisher unterhielt sich an der Ladentheke gerade angeregt mit Blair Gower, und einen Moment lang war niemand sonst im Geschäft. Ich trat auf ihn zu. «Ich wollte fragen …»
    Das Gesicht des alten Mannes gefror; verschwunden waren die fröhlichen Fältchen, mit denen er Mr. Granger bedacht hatte. «Du wolltest fragen? Ja, das hier sind alles meine eigenen Zähne. Die meisten Kinder fragen mich das – weil ihre alten Leute ihre Zähne in einem Glas aufbewahren oder gar keine mehr haben.»
    «Ich wollte fragen, ob Sie etwas über Robben und Robbenmenschen wissen.»
    Erst jetzt, wo er erstarrte, fiel mir auf, dass zuvor alles an ihm unermüdlich in Bewegung gewesen war. Er hatte aufgehört zu blinzeln; und als ich in seine starren grauen Augen blickte, dachte ich, dass er das ganze Blau hinausgeblinzelt haben musste. In seinen Augen erkannte ich einen Fisher, dessen Existenz ich nicht einmal erahnt hatte, den Fisher von damals, der noch nicht über alles Bescheid gewusst hatte und den man noch überraschen oder erschrecken konnte. Für einen kurzen Augenblick sah ich diesen früheren Fisher, bevor er mehrmals hintereinander blinzelte und der Urgroßvater-Fisher ihn wieder verdeckte.
    «
So
alt bin ich nun auch wieder nicht», sagte er.
    «Das meinte ich auch gar nicht », sagte ich. «Ich dachte nur, Sie hätten vielleicht von
Ihren
alten Verwandten etwas gehört.»
    «Oh nein», sagte er hastig. «Mich hat nie jemand eingeweiht.» Er zog seine Decke hoch. «Mrs. Fisher!», rief er. Erschreckt trat ich einen Schritt zurück.
    «Ja, Pa?», erklang es von der

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