Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
Vom Netzwerk:
Heimweg und schüttelte dabei die Hände aus, um die Schmerzen zu lindern, die ich mir beim Aufheben des Zaubers zugefügt hatte.
    Wir beerdigten Mum. Meine Schwestern waren einverstanden, dass ich in unserem Haus wohnen bleiben durfte, was nur gerecht war, schließlich hatte ich sowohl Mum als auch Dad gepflegt, und außerdem hätten sie mich ansonsten in einem ihrer kinderüberfrachteten Häuser unterbringen müssen. Doch sie brauchten ewig, um sich zu der Entscheidung durchzuringen, diskutierten in meiner Hörweite ausführlich und genüsslich darüber, was geschehen sollte, falls ich doch einmal heiraten würde oder Billy mit einer Frau wiederkäme und sich hier niederlassen wollte. Sie versprachen mir schließlich nur, dass ich in dem Haus wohnen könne, solange keiner dieser Fälle eintrat. Wenn doch, würden sie es nochmals besprechen müssen, sagten sie. Vielleicht könnte ich ja als Hausmädchen für Billy und seine ausländische Frau arbeiten, die sie kurzerhand erfunden hatten? Vielleicht könnten wir, mein völlig unwahrscheinlicher Ehemann und ich, den Schwestern ja Miete zahlen? Ich sagte gar nichts dazu, wollte ihre Verhandlungen nicht noch anfeuern, indem ich mich dagegen auflehnte. Jedes Mal, wenn sie meine Meinung hören wollten, sagte ich deshalb nur: «Macht ihr das unter euch aus. Entscheidet ihr, was gerecht ist. Ich hab keine Lust, mir später anzuhören, dass eine von euch diese Entscheidung bereut.» Was kümmerte es mich jetzt noch? Mein Reichtum strahlte mir bereits entgegen – in Form von Able und den anderen Männern, die nach ihm in meine Falle tappen würden. Sollten sie nur machen; sollten sie ihr herrisches Getue und ihre Selbstgerechtigkeit ruhig ein letztes Mal an mir auslassen, bevor ihre Welt in sich zusammenbrechen würde.
Ich
würde diejenige sein, die es von uns allen am besten getroffen hatte, da konnten sie mich jetzt noch so sehr wie eine Last behandeln, die sie untereinander aufteilen mussten und am liebsten ganz losgeworden wären.
     
    Wir warteten noch ein paar Wochen bis zum Vollmond.
    Able brachte Kleider und Stiefel für das Mädchen mit. In seiner Jackentasche beulte sich mein Geld. Wir machten uns früh auf den Weg, damit er sie noch am selben Morgen auf das Boot nach Cordlin bringen und so bald wie möglich rechtskräftig heiraten konnte.
    Ich war gut vorbereitet, hatte in den letzten Tagen nichts außer Brot, Tee und winzigen Fleischhäppchen zu mir genommen.
Gut siehst du aus
, hatte Bee tags zuvor argwöhnisch bemerkt, als wir uns zufällig im Dorf über den Weg gelaufen waren, also schien sich die Vorahnung des Zaubers auf meine Haut, Haare und sogar auf meine Haltung ausgewirkt zu haben; es ließ sich nicht ganz verbergen. Sogar ein oder zwei Männer hatten in den letzten Tagen verblüfft zu mir herübergeschaut.
Was ist denn mit der passiert
, stand in ihren verwunderten Gesichtern geschrieben,
dass sie gar nicht mehr so uninteressant und abstoßend aussieht wie sonst?
Es war, als hätte sich Feuer in mir gestaut. Ich war froh, dass die Bänder meinen Brustkorb sicher überkreuzten und das, was in mir tobte, im Zaum hielten.
    Ich traf Able an Lawsons Zaunübertritt, wo uns niemand sehen und über uns tratschen konnte. Wortlos gingen wir nebeneinander her, so wie kein anderer junger Mann mit einem Mädchen aus Potshead hinausspazieren würde. Kurz darauf standen wir am Klippenvorsprung oberhalb der Crescent Cove und blickten auf die vielen seidigen Körper hinunter, die wie schlechtgestapelte Nackenrollen, Sandsäcke oder Geleebeutel am Ufer lagen.
    «Welche von denen wohl deine Frau ist?», fragte ich lachend, die Hände in die Hüften gestemmt. Unten wackelte eine Robbe mit den Flossen; ein Robbenbaby krächzte und quakte nach seiner Mutter, seine Mutter jaulte in einer Mischung aus Hunde- und Menschengeräusch zurück.
    «Ist das wichtig?», fragte er. «Steckt nicht in jedem von diesen Speckhaufen eine Schönheit?»
    «Ich weiß es nicht», antwortete ich wieder lachend. «Aber ganz egal, ob sie wunderschön ist oder hässlich wie ein Schweinehintern, du kriegst nur die eine. Wenn du die Misskaella unter den Robben erwischst, ist das dein Problem, der Preis bleibt der gleiche.»
    «Es gibt Hässlichere als dich», sagte er freundlich, weil er an diesem besonderen Tag allem gegenüber freundlich gestimmt war.
    «Die gibt’s tatsächlich, und vielleicht sehen wir gleich eine. Mach dich auf alles gefasst.» Ich war nicht ernsthaft besorgt, aber jetzt, so

Weitere Kostenlose Bücher