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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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Robbenpelz einmal der Länge nach.
    «Komm her und stell dich hierhin», wies ich Able an und schob ihn auf meinen Platz. Ich ging zum Kopf der Robbe, bockte ihn mit dem Knie hoch und zog die Robbenhaut auseinander.
    Ables Gesicht erstrahlte. «Ivy!», rief er glücklich und streckte ihr die Hände entgegen. Sie setzte sich auf, ihr schwarzes Haar fiel herab, ergoss sich über ihren langen Rücken und wehte im Wind, ihr Hinterteil war stramm wie das eines Knaben. Sie legte die langen weißen Hände in seine sommersprossigen und stellte sich wacklig auf den noch dicken, glatten Pelz. Sie trat herunter, fand auf dem Felsen festeren Halt. Sie hustete, hustete Wörter aus: «Was hast du mit mir gemacht?»
    Noch während ich den Pelz zusammenrollte, wurde er dünner, trockener und glanzloser. Von der Anstrengung, die Robbe in das Mädchen zu verwandeln, war ich wacklig auf den Beinen, dazu kam die Erleichterung darüber, dass sie unversehrt herausgekommen war, ihr kein Körperteil fehlte, sie sprechen konnte, dass sie nur Augen für Able hatte – und umgekehrt, wie mir seine gurrenden, entzückten Ausrufe verrieten.
    «Zieh dir die Unterwäsche hier an und was Anständiges drüber, bevor noch jemand oben an der Klippe vorbeikommt und runterguckt.»
    «Was bedeutet
was Anständiges
, Able Marten?», fragte sie, während sie in die Kleidung schlüpfte.
    «Das gehört zu den Dingen, die du so schnell wie möglich lernen solltest.»
    Ich rollte den Robbenpelz ein und band ihn zusammen; Able und ich hatten vereinbart, dass ich ihn erst einmal an mich nehmen und darauf aufpassen würde, damit das Mädchen ihn sich nicht so einfach zurückholen und entkommen konnte. Jetzt sah er nur noch aus wie eine zusammengerollte Decke, allerdings war er nicht so schwer, dafür weicher, fühlte sich ganz anders an. Auch sonst erschien er mir völlig verändert, ohne all die Lichter und das Robbenleben darin. Ich überkreuzte mich rasch wieder mit den Bändern, um nicht so deutlich zu spüren, wie sehr die Robbenhaut darunter litt, so herabgewürdigt worden zu sein, und wie hoffnungslos sie sich nach dem Mädchen reckte, das sie abgestreift hatte.
    Able hatte Ivy mittlerweile das Kleid übergezogen. Er ließ sie auf einem Felsen Platz nehmen und zeigte ihr die Stiefel, wischte ihr die kleinen Füße sauber und staunte darüber, wie weiß sie waren, wie wohlgeformt, wie unbenutzt. Er streifte ihr die Stiefel über und zog die neuen, steifen Schnürsenkel zusammen, erklärte dabei deren Nutzen.
    «Sie fühlen sich merkwürdig an», sagte sie höflich. «Es fühlt sich alles so merkwürdig an – so eingeschnürt zu werden, vor dem Wetter weggeschnürt.»
    «Genau», sagte Able. «Jetzt bist du vor Wind und Wetter geschützt. Und die Schuhe schützen dich vor den Steinen, die auf dem Boden herumliegen, weißt du, und vor spitzen Muscheln und Dornen, falls du irgendwo durchs Gras gehst.»
    «Gras?», fragte sie verunsichert und blickte sich um. «Aber was ist, wenn meine Schwestern ohne mich rausschwimmen?», fragte sie, die Hände in den Röcken vergraben. «Und unser Leitbulle. Wer passt dann auf mich auf?»
    «Ich pass auf dich auf, mein Mädchen. Sobald wir verheiratet sind, ist das meine Aufgabe und meine Pflicht – und ein Vergnügen noch dazu. Und jetzt komm, wir müssen zum Anleger, wenn wir das Boot nach Cordlin noch erwischen wollen. Dem Pfarrer dort hab ich schon geschrieben, das Aufgebot hängt schon den ganzen Monat aus, und heute Abend sind wir Mann und Frau.»
    Das beruhigte sie, auch wenn es mich nicht beruhigt hätte.
Wer zum Henker bist du überhaupt?
, hätte ich gefragt.
Und wer sagt, dass ich dich heiraten will?
    «Fertig, Misskaella?», fragte Able; er konnte sich nicht einmal von ihr losreißen, um mir einen kurzen Blick zuzuwerfen.
    Ivy sah mich neugierig an, doch er schien es nicht für nötig zu halten, uns einander vorzustellen.
    «Dann mal los», sagte ich kühl, um ihn daran zu erinnern, dass ich hier den Ton angab, nicht er. «Bist du mit der jungen Dame zufrieden, Able?», half ich seinem Gedächtnis auf die Sprünge.
    «Oh! Ja, und wie! Sehr zufrieden, Misskaella. Hier.»
    Und dort am Ufer wechselte das Geld seinen Besitzer, Geldscheine, mit deren Ecken der Wind spielte, klimpernde Münzen. Damit war der Handel abgeschlossen, und ich verstaute das Geld in meiner Tasche. So lief es also ab, und so würde es von nun an immer sein; jeder Mann würde bei mir ein Häuflein Elend erwerben in dem Glauben, sich damit

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