Seeherzen (German Edition)
gestern.»
«Ich weiß, was du meinst.»
«Kannst du das?»
Ich blickte auf meine Hände, die noch immer Erdspuren vom Rettichrupfen trugen. Welten lagen zwischen seiner unverblümten Frage und der magischen meersäuselnden Nacht und dem Robbenbullen, der sich auf den Fels hinaufwuchtete.
«Denn wenn du’s nicht kannst, verschwende ich hier nur meine Zeit.» Er schob die Füße vor und stützte sich auf die Armlehnen, als wollte er aufstehen.
Ich ließ ihn zappeln, dann sagte ich: «Und warum sollte ich das tun?»
«Was meinst du?» Er ließ sich wieder in den Sessel plumpsen.
«Ich bin den Leuten sowieso schon unheimlich – wenn ich jetzt auch noch Robbenfrauen auftauchen lasse, werden sie mich ganz und gar verabscheuen.»
«Es könnte ein Geheimnis bleiben.»
«Wie das?»
«Ich könnte mir ja eine Geschichte ausdenken. Ich könnte sagen, dass sie von selbst gekommen ist, so wie die erste.»
Ich lachte schnaufend, während ich meine erdverkrustete Schürze inspizierte. «Und was passiert, wenn du sie hast?»
«Was soll schon passieren? Dann bin ich glücklich. Und du kriegst gutes Geld.»
«Ach, und dabei bleibt es dann, ja? Kein anderer Mann will auch so eine Schönheit haben, wenn du mit deiner durch das Dorf stolzierst?»
«Die haben doch ihre Mädchen, oder nicht? Die brauchen keine. Ich werde aber praktisch dazu gezwungen; von den Miststücken hier will mich keine.»
«Keine?», fragte ich. «Ich kann mich nicht erinnern, dass du mich jemals gefragt hättest.»
Belustigt beobachtete ich, wie er mich auf einmal ansah, rot anlief und sich dann überall im Raum umblickte. «Hör zu», sagte ich verächtlich. «Sie hat jeden Mann im Dorf um den Verstand gezaubert. Du redest von einem Märchenmädchen, Able. Wenn du sie siehst, dann willst du sie, und keins der Mädchen hier hat auch nur die leiseste Chance gegen sie.»
Er grinste. «Das macht es ja gerade so reizvoll», sagte er, «dass andere Kerle sie haben wollen und nur die Inselmädchen zur Auswahl haben. Die werden vor Eifersucht wahnsinnig.»
«Und wo, glaubst du, wird ihr Wahnsinn sie hinführen? Genau dorthin, wo deiner dich hingetrieben hat: vor meine Haustür.»
«Es ist kein Wahnsinn; es ist ein gut ausgeklügelter Plan. Hör zu.» Er nannte einen Geldbetrag.
«Das ist lächerlich!»
Er hob die Hände. «Ich weiß. Ich würde dir ja mehr im Voraus zahlen, aber ich brauch den Rest, um unser Haus einzurichten und den Pfarrer zu bezahlen, damit er uns traut.»
«Parson Rightley? Er würde dich eher mit dem Kamin hier vermählen als mit einer Robbenfrau. Dafür musst du woanders hingehen, Able.»
«Ja, verflucht, muss ich wohl.» Er dachte ein Weile nach, dann nannte er die Hälfte der vorherigen Summe. «Aber», setzte er nach, fegte mein Lachen mit einer Handbewegung beiseite und versprach mir für die nächsten zwei Jahre einen gewissen Teil seiner Einkünfte.
Als er mir sein Angebot nannte, spürte ich, wie eine große Anspannung von mir abfiel, von der ich nicht einmal gewusst hatte, dass sie mich gequält hatte. Mir wurde klar, dass es eine Sache war, keinen Ehemann haben zu wollen, aber eine ganz andere, keinen zu
brauchen
, um ein Dach über dem Kopf zu haben, etwas Anständiges zu essen, Schuhe an den Füßen und einen Mantel auf dem Leib.
«Das würdest du mir also zahlen», sagte ich und ließ meine Stimme immer noch schroff klingen, «selbst wenn sie dir entwischt, sich ihren Pelz schnappt und zurück ins Meer springt? Oder krank wird und dir zur Last fällt, so wie meine Mum und davor mein Dad? Oder bei der Geburt eurer Kinder oder aus einem anderen Grund stirbt? Oder sich hier an Land irgendeine Krankheit einfängt, gegen die sie nicht gewappnet ist? Für mich ist der Aufwand derselbe, ob sie bleibt oder wieder geht, Able. Und du hast vielleicht nicht viel von ihr, wenn du nicht gut achtgibst. Doch deine Fürsorge, Glück oder Gottes Willen dürfen unseren Handel nicht beeinflussen. Ich kann das Mädchen nur herausholen und dir übergeben. Bist du bereit, mir die Summe in jedem Fall zu zahlen, egal, ob du Glück oder Pech mit ihr hast?»
«Jeden Penny», sagte er. «Versprochen.»
Er streckte die Hand aus, um den Handel nach Männerart zu besiegeln.
Ich blickte auf seine Hand. «Ich weiß nicht, Able», sagte ich. «Gib mir einen Tag und eine Nacht, um darüber zu schlafen und zu überlegen, was ich dabei gewinne oder verliere. Das ist keine Kleinigkeit.»
Verärgert zog er seine Hand zurück. «Was
Weitere Kostenlose Bücher