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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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war, so beschämend oder bedauernswert das auch sein mochte.
    Davon versuchte ich mich zu überzeugen, während ich mit geschlossenen Augen durch Cordlins Nacht lief, mit der Daumenspitze über die Rillen der Meermünze fuhr und wieder Nemes warme seidige Haut auf meinen Lippen spürte.

Daniel Mallett
    M um ging im Haus auf und ab, und ihre Decke schleifte hinter ihr her wie ein Stück Rasen, das sie aus der Erde gerissen und zu einem derben Mantel umfunktioniert hatte. Sie ging an der geschlossenen Haustür vorbei von einem Fenster zum nächsten. Ich versuchte gar nicht erst, einzelne Wörter aus ihrem Gemurmel herauszuhören, das sich aus fremdartigen Melodien, Gewimmer und Geflüster zusammensetzte. Sie ergaben ebenso wenig Sinn wie das Rauschen der Decke oder das Wischen ihrer Fußsohlen auf den grauen Holzdielen.
    Sie blieb vor einem der Fenster stehen, durch die Stuhllehnen von mir getrennt; ihre Schultern ragten wie seetangbewachsene Hügel dahinter hervor, ihr Kopf zeichnete sich vor dem gleißenden Licht der Wolken ab, das Haar ein wenig zerzaust, ein paar Strähnen wehten im Wind ihrer eigenen Wärme. Sie gab sich ganz der Aussicht hin und verfiel in Schweigen, während ich in der Diele stand und ihrer Traurigkeit lauschte.
    Ich hütete mich, sie zu fragen, was los war. Sie hatte es mir schon oft genug gesagt:
Ich komme aus dem Meer, und das Meer fehlt mir.
Wie konnte das Meer ihr fehlen?, hatte ich mich gefragt – es lag doch gleich unterhalb des Dorfes, jeder konnte einfach hingehen!
Soll ich dich runter zum Strand bringen, Mum? Es ist nicht weit. Wir könnten deine Decke mitnehmen und sie im Wasser wieder frisch machen
, hatte ich ihr manchmal vorgeschlagen, als ich noch jünger war; sogar im November, wenn draußen der Schnee fiel.
Nein, mein Schatz
, hatte sie immer geantwortet.
Danke, mein Liebling, aber wirklich nicht. Du kannst mir nicht helfen.
Und von den anderen Jungs hatte ich gehört, dass es ihnen genauso erging – dass ihre Mums heute, diese Woche oder bereits die letzten Monate über schwermütig waren und sie nichts tun konnten, um sie aufzuheitern, sosehr sie sich auch bemühten. Sie stellten ihr einen Sessel in die Sonne, brachten ihr jedes Katzenbaby und Entenküken, das sie finden konnten, spazierten mit ihr am Strand entlang, doch nichts konnte sie trösten.
    Ich ging zu Mum, stellte mich vor die Fensterbank, als interessiere auch ich mich für das Leben dort draußen. Ich blickte auf dieselben abschüssigen Straßen wie immer – eine führte hinauf, die andere hinunter. Dieselben frischgekalkten Eingangsstufen leuchteten wie Laternen am Wegesrand. Dieselbe langweilige Katze lag schlummernd in Trumbells Fenster, blinzelte uns zu herüber, schlief weiter. Und zwischen oder hinter den Dächern ritt das Meer auf den Horizont zu, kohlrabenschwarz, flach wie Schiefer, und kein Segel, keine Jolle, kein Seeungeheuer unterbrach die gähnende Leere.
    Immer wieder drehte Mum ihren silbernen Ehering um den Finger; manchmal tat sie das so lange, bis die Haut drum herum rot anlief. Sie drückte und drehte, als müsste sie richtig Kraft aufwenden, um ihn zu lockern, dabei glitt der Ring sonst immer leicht zwischen den Fingerknochen hin und her.
    Ich legte meine Hand auf ihre dunklere. Sie wandte den Blick von der Aussicht ab und mir zu.
    «Was ist denn, Daniel?»
    Ich löste ihre Hände voneinander. Dann drehte ich mich wieder zum Fenster, schlang mir Mums Arm um die Schulter und zog ihre beringte Hand vor meinen Brustkorb. Dort hielt ich sie fest und übernahm die Aufgabe, das warme Silber zu drehen, bewegte es behutsamer über Mums Finger, als sie es getan hatte.
    Sie lachte sanft auf, tief unten in ihrer Kehle. «Mein süßer Junge.» Sie drückte mir einen Kuss auf den Kopf, dann legte sie ihre freie Hand dorthin. Und so blieben wir stehen, sie in ihre Decke gehüllt und ich in sie gehüllt, und unermüdlich drehte ich den Ring um ihren Finger, während draußen die Treppenstufen glänzten, die Katze schlummerte, das glatte Meer sich dahinter ausdehnte und alles so blieb, wie es war.
    * * *
    Das Festland tauchte wie der schwarze Rand eines Fingernagels zwischen der Blässe der Meeresoberfläche und des Himmels vor uns auf. Ich zog Dad am Ärmel. Er unterhielt sich gerade mit Mr. Fisher, der mit uns über den Strait fuhr, um Konservendosen und Gemüse für seinen Laden einzukaufen.
    «Ja, da ist es», sagte Dad zu mir, und warf einen Blick hinüber, um mich zufriedenzustellen.
    «Lass dir

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