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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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Dann sitzt sie den Rest ihres Lebens auf diesem verfluchten Rollrock fest, denn sonst braucht man nirgends auf der Welt jemanden zum Meerjungfrauenfangen.» Sie schielte zu mir herüber. «Ich will keine Enkelsöhne mit
Schwanzflossen
», sagte sie. «Und keine Enkeltöchter mit
Flossen

    Was faselte sie da nur? Sie mussten beide verrückt sein, sie und ihre Tochter.
    «Wir zahlen ihr einmal im Jahr eine Fahrt nach Hause, wie wär’s damit? Das Boot und den Bus, damit sie Sie jeden Frühling besuchen kann.»
    Die Mum saugte an den Innenseiten ihrer verdrießlichen Visage. «Und niemanden zum Heiraten.»
    «Sie kann genauso gut hier einen Mann kennenlernen, wenn sie zu Besuch ist, Mrs. Callisher. Die Bedingungen sind doch wirklich akzeptabel. Ich bin sicher, Trudle wird zufrieden sein mit ihrem eigenen Zimmer im Haus der alten Frau und ihrem eigenen Auskommen.»
    Trudle lachte wiehernd, und selbst ihr Lachen machte sie nicht weniger hässlich. Ihr Gesicht wirkte eher noch verschlagener, wenn sie es so zerknitterte.
    Ihre Mum schüttelte den Kopf. «Die da wär auch auf ’nem Misthaufen glücklich. Hat vielleicht ’ne Gabe, ist aber nicht ganz richtig im Kopf.»
    «Frag doch mal Fan Dowser, was ich sonst noch so für Gaben habe», sagte Trudle mit Reibeisenstimme.
    Die Mum schoss vor und schlug ihr ins Gesicht. Das Mädchen rieb sich die Wange und funkelte zornig zu ihr auf.
    «Also gut, nehmen Sie sie mit», sagte ihre Mum betont gleichgültig. «Aber beschweren Sie sich hinterher nicht bei mir über das, was sie mit Ihren hübschen Jungs anstellt.» Sie warf mir einen Blick zu, einen Mundwinkel verächtlich hochgezogen, doch aus ihren Augen sprach Angst. «Wie gesagt, in ihrem Oberstübchen ist nicht viel los. Mir schleierhaft, warum jemand nicht gleichzeitig ’ne Gabe und Verstand haben kann.»
    «Die Aufgabe ist leicht verständlich», sagte Dad.
    «Hmpf. Nichts davon ist verständlich. Geh und hol die Kiste mit deinen Sachen, Mädchen.»
    Trudle bestand darauf, sich für die Reise mit einem abgetragenen altertümlichen Rüschenkleid in Schale zu werfen, zu dem sie einen dunkelblauen Hut aufsetzte. Dazwischen blickte ihr verschlagenes Gesicht hervor. Dad wickelte mit ihrer Mum das Geschäftliche ab, dann machten wir uns auf den Weg.
    Ich war froh, aus diesem Haus raus zu sein und fort von dieser Frau, allerdings weniger glücklich, dass Trudle uns begleitete. Sie hatte einen eigenartig schaukelnden Gang, watete mit weit auseinanderstehenden Beinen unter ihrem beleibten Körper vorwärts, als hätte sie sich in die Hose gemacht. Sobald die Leute uns vorbeikommen sahen, brachen sie ihre Unterhaltung ab und starrten uns an. Mein Dad ging uns voraus, Trudles Kiste auf die Schulter gestemmt und eine Bettdecke obendrauf getürmt. Er lief recht schnell, sodass Trudles Wackelgang noch lächerlicher wirkte. Es war ein einziger Albtraum – die riesige Stadt, die Hektik, die abschätzigen Blicke und Kommentare, die die Leute ringsum auf uns abfeuerten, das späte Sonnenlicht, das kalt in den klammen Gassen aufflackerte. Weder Trudle noch ich sprach einen Ton; wir kämpften uns jeder für sich und doch gemeinsam weiter. Ich wäre lieber neben Dad hergelaufen, konnte ihn aber nie richtig einholen.
    Dann lösten sich die Menschenmengen auf, und dort stand der Bus neben dem Unterstand. Die Tür ging gerade zu, doch mein Dad rief: «Halt!», und rannte winkend dem Bus hinterher, bis der Fahrer die Tür noch einmal für uns öffnete.
    Trudle schob sich als Erste hinein. Sie wählte einen Sitz in der Mitte des Busses und nahm aufrecht und äußerst zufrieden darauf Platz. Als Dad sich neben sie setzen wollte, funkelte sie ihn an, also nahmen wir in der Reihe dahinter Platz.
    «Das war knapp», sagte er, als der Bus ihn beim Anfahren zurück in den Sitz warf. «Hätt ich noch länger mit Mrs. Callisher feilschen müssen, hätten wir heut Nacht hier festgesessen.»
    Ich konnte Trudle riechen – wie alt ihre Kleider waren und dass sie schon eine ganze Weile nicht mehr gebadet hatte.
    «Du hast dich auf dem Markt also mit einem Mädchen unterhalten?», fragte Dad freundlich, als wir beide wieder zu Atem gekommen waren.
    Ich nickte, sah die Ausläufer von Knocknee vorbeiwirbeln: ein Landhaus mit einem Garten, in dem sich jede Menge ungehacktes Feuerholz türmte, ein Hund mit Puschelschwanz, Stiefelabdrücke im Schlamm, in denen Wasserpfützen glitzerten.
    «Und wie war’s?», wollte er wissen.
    Ich zuckte die Schultern –

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