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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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Mann stemmte die Hände in die Hüften. «Aber ich bin eigens angereist, um einen fotografischen Bericht zu erstellen.»
    «Und das dürfen Sie von uns aus auch sehr gern tun», versuchte Bannister die Wogen zu glätten, während einige der Männer hinter ihm vor Wut bebten. «Wir hatten Sie nur nicht so früh erwartet, und die Frauen wollten mit der Arbeit an ihren Decken fertig sein, bevor das Boot einläuft. Sie sind nicht schicklich gekleidet, und wir wollen ja nun nicht, dass Sie unschickliche Bilder mit aufs Festland nehmen, nicht wahr?»
    «Ganz sicher nicht», sagte Bern O’Day brüsk und eine Spur bedrohlich.
    «Und sie dort herumzeigen», fügte Bannister hinzu, «sodass die Leute in Cordlin denken, wir würden unsere Frauen immer so rumlaufen lassen, mit nackten Beinen.»
    Die Mums sahen sich verblüfft an und blickten auf ihre Schienbeine, die vom Wasser verzerrt wurden.
    «Was ist denn schlimm an Beinen?», murmelte Oswald und sah auf seine eigenen hinunter. Das Sonnenlicht schwirrte durch die roten Borsten an seinem Hinterkopf.
    «Wir wollen Sie bestimmt nicht verärgern», dröhnte die rosawangige Dame. «Aber Mr. Thornly hier ist sowohl Anthropologe als auch Künstler. Ich denke, Sie können unbesorgt sein, dass er seine Bilder nicht zu unangemessenen Zwecken einsetzt.»
    «Ach, tatsächlich?», zischte Corbell aus der Männermenge heraus.
    «Bestimmt können wir das», sagte Bannister erneut in dem Versuch, die Wogen zu glätten.
    «Er verfolgt ein Projekt», posaunte die Dame weiter und deutete mit einer ruckartigen Bewegung ihres Sonnenschirms an, dass es sich für sie und die anderen hier anwesenden Cordlin-Bewohner um eine überaus ernsthafte Angelegenheit handelte, «alle Gewohnheiten und Bräuche der umliegenden Inseln für die Nachwelt festzuhalten.»
    «Ich finde Ihre Frauen wunderschön!», beteuerte der Fotograf. Wie weiß er neben unseren Dads wirkte – wie ein Porzellanmann –, und wie konnte er glauben, dass sie ausgerechnet so etwas aus seinem Mund hören wollten? Misskaella kam langsam vom Ende der Mole zu uns herübergeschlendert; Trudle tänzelte gelangweilt hinter ihr her. Alles war so seltsam, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn Misskaella sich den Mann oder seine Fotokamera gekrallt und auf den Felsen zerschmettert hätte.
    «Und wo die Frauen gerade mit dieser traditionellen Tätigkeit …» Zum ersten Mal betrachtete der Mann die Decken richtig. «Worum handelt es sich eigentlich genau?»
    Die jüngere Dame sagte überdeutlich: «Sie weichen ihre privaten Decken ein und flicken sie.» Ich hörte, wie die Dame neben ihr leise losprustete; eine andere der jüngeren Frauen drehte sich in meine Richtung, um ihr Lachen zu verbergen, bemerkte, dass ich sie beobachtete, und hielt sich daraufhin den Sonnenschirm vors Gesicht, der dort leicht zitternd verharrte. Auf einmal hätte ich ihr den Sonnenschirm am liebsten aus der Hand gerissen und weggeschleudert, sie mit dem spitzen Schirmende gepikt oder ihr das schnörkelige Hütchen vom Kopf geschlagen.
    «Private Decken?», fragte der Fotograf, als hätte man ihm damit völlig den Wind aus den Segeln genommen. «Nun, in diesem Fall nehme ich an …»
    «Oh, aber ich bin sicher, das hat noch nie jemand aufgenommen!», rief eine der jungen Damen aus purer Bosheit – man brauchte sie nur anzusehen, wie genüsslich sie sich hin und her wiegte und dabei große Unschuldsaugen machte.
    «Natürlich nicht, Georgette», sagte Mrs. Rosa-Bäckchen und ließ gewichtig die Hand auf Georgettes Arm sinken. «Weil es eine
Privatangelegenheit
ist.»
    «Ich meine ja nur, wo es doch so ein wertvolles anthropologisches Zeugnis ist!»
    «Jetzt lass gut sein.»
    Der Fotograf legte sein schwarzes Tuch mit äußerster Präzision zusammen, und an den Falten im Stoff war zu erkennen, dass er es jedes Mal auf die exakt gleiche Weise zusammenlegte. Als er fertig war, ließ er seine Kamera zusammenschnappen und in ihrer Kiste verschwinden. Schließlich klappte er die Holzbeine zusammen.
    Die Dads hatten die Schultern sinken lassen, und Job Cress und Michael Lexly gingen wieder zum Boot zurück. Misskaella verharrte auf halbem Weg zu uns. Die Mums saßen schweigend da und beobachteten die Damen, und wir Jungen drehten unsere Köpfe wie Hühner auf der Suche nach Getreidekörnern hin und her, damit wir alle im Auge behielten.
    «Nun, wo hätten wir denn die besten Aussichten, ein paar schöne Landschaftsaufnahmen von der Insel zu machen?», fragte

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