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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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der Fotograf. «Wenn Sie
dagegen
keine Einwände haben.»
    «Oben vom Aussichtshügel, würd ich mal sagen», schlug Bannister vor.
    Während er dem Mann den Weg dorthin beschrieb, warfen die Cordlin-Damen einen letzten Blick auf unsere Mums, die mit ihren gurgelnden, blubbernden Decken im seichten Wasser saßen, dann zogen sie den Männern hinterher.
    Robbenfrauen
. Warum hatten sie unsere Mums Robben genannt? Sie kamen schon auf merkwürdige Ideen, diese Festlandbewohner, und sie schreckten nicht davor zurück, diese zu verbreiten.
    John Abut löste sich aus der Gruppe der Dads und ging zu Misskaella hinüber, die sich wieder in Bewegung gesetzt hatte und neben den flickenden Frauen auf und ab schritt. «Bring sie so schnell wie möglich von hier weg», hörte ich ihn Misskaella zuraunen, «wo niemand sie sehen kann.»
    «
Ich
hab die Fey nicht früher bestellt», entgegnete sie. Ich war froh, dass ich nicht Abut war, bei dem Blick, den sie ihm zuwarf.
    «Natürlich nicht. Aber wir haben genug von wichtigtuerischen Schnüfflern. Von Cordlin-Leuten, die sich über uns lustig machen.»
    «Was kümmert’s euch», gab Misskaella ziemlich laut zurück – die Cordliner hatten sich aber bereits zu weit von der Mole entfernt, um sie noch hören zu können –, «was kümmert’s euch, was ein paar Leute aus Cordlin denken, wo ihr doch die schönsten Frauen der Welt habt?»
    * * *
    An einem kalten, windigen Nachmittag suchte eine Schar von uns Jungs im Hinterzimmer des Pubs Unterschlupf. Der erste Schnee war bereits gefallen, was aber schon mehrere Tage zurücklag, sodass nur noch klägliche Reste davon im Schatten der Mauern herumlagen, die zu nichts zu gebrauchen waren. Wir hatten aus dem, was wir hinten im Hof gefunden hatten, einen Schneemann gebaut, der mittlerweile nur noch ein pappiger Schneeklecks war. Wir hatten ihn allerdings mit einer schönen Rute ausgestattet – dem Bein eines kaputten Barhockers, den Wholeman hinters Haus gestellt hatte, um ihn zu reparieren –, sodass er immerhin noch als Schneemann-Klecks zu erkennen war.
    Auf jeden Fall war es bitterkalt, der Wind biss und betäubte uns, und deshalb drängten wir uns durch die Hintertür ins Haus hinein, und die wenige Wärme, die uns im Flur aus dem Schankraum entgegenströmte, fühlte sich himmlisch an. Niemand war da, um uns zu sagen, wir sollten uns schleunigst aus dem Staub machen, bevor wir von den zotigen Gesprächen rote Ohren bekämen, also lungerten wir leise dort herum und tauten allmählich wieder auf.
    Meine Hände wanderten über den Deckel der Truhe, die an der Wand stand, und ich wollte gerade versuchen, ihn aufzustemmen, als Aran Bannister uns mit verschwörerischer Stimme zuraunte: «Guckt mal hier, Jungs!», woraufhin wir alle zu ihm hochsahen. Er stand vor der Tür zum Lagerraum und hielt das Vorhängeschloss in der Hand.
    «Was ist das denn?», flüsterte Raditch. Die Tür stand einen Spalt weit offen. Die größeren Jungen erstarrten vor Überraschung – und vermutlich auch wegen des ausströmenden Geruchs nach säuerlich-kaltem Salzwasser.
    «Wholeman hat bestimmt vergessen abzuschließen», mutmaßte Raditch. «Anscheinend lagert er hier noch andere Sachen.»
    «Was für Sachen?», fragte Johnny Baker. «Ob’s da drin wohl was zu essen gibt? Meint ihr, es fällt auf, wenn ein bisschen fehlt? Erdnüsse oder so was?»
    Arans verängstigter Blick wich einem Ausdruck erwartungsvoller Durchtriebenheit, und er zog die Tür weiter auf. Wir drängten uns nach vorn, um mehr zu sehen, doch keiner ging in den Lagerraum hinein. Dadrinnen schien auch gar nicht genug Platz für uns zu sein.
    «Lasst mich mal sehen!», sagte Kit Cawdron, schob sich an uns vorbei nach vorn und blieb staunend stehen. «Der ist ja voller … Pelzmäntel, oder was ist das?»
    «Natürlich sind das Pelze, du Küken», entgegnete Aran. «Die gehören unseren Mums. Der von deiner Mum ist auch irgendwo dazwischen.»
    «Blödsinn, Mums Mantel hängt zu Hause an der Garderobe, wo er hingehört», sagte Kit. «Warum sollte sie einen von denen da tragen?»
    «Pscht, Kit», sagte Raditch, «sonst hören uns die Dads und ziehen uns eins mit dem Gürtel über. Mach die Tür wieder zu, Aran, und zwar richtig.» Doch auch er reckte den Hals wie alle anderen.
    «Es ist ihr
Robbenpelz
», belehrte Aran Kit, beugte sich zu ihm herunter und sprach leise und überdeutlich, als wäre Kit schwer von Begriff. «Von ihrem Leben im Meer. Den sie abgeworfen hat, um dich und Os zu

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