Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
bereits gemacht habe, berechne ich nichts«, rief ich ihm nach.
    »Weißt du was«, sagte Frances zu mir, als wir uns umzogen. »Ich glaube, Rad hat ein Auge auf diese Anne Trevillion geworfen. Wieso sollte er sonst so scharf drauf sein, da heute Abend hinzugehen? Normalerweise hasst er Partys. Er hat sich sogar die Haare gewaschen.«
    »Ich weiß schon, was passieren wird«, sagte ich und wühlte in der Schublade ihrer Frisierkommode nach der Wimperntusche, obwohl es jetzt kaum noch einen Zweck zu haben schien, sich Mühe zu geben. »Rad wird mit der hübschen Anne verschwinden, du und Nicky werdet den ganzen Abend über die Köpfe zusammenstecken, und ich werde in der Küche hocken und Salzgebäck essen.« Ganz unten aus der Schublade funkelten mir zwei Wimpernwickler entgegen wie Folterinstrumente. Ich hatte nicht vor, meine Zeit mit etwas so Oberflächlichem zu vergeuden. Nickys Prophezeiungen über den Pomp der Veranstaltung hatten mich so eingeschüchtert, dass ich mein einziges schickes Kleid angezogen hatte - ein kurzes Schwarzes mit dünnen Trägern und winzigen Jettperlenschnüren, die ein knirschendes Geräusch von sich gaben, wenn ich mich setzte. Jetzt, als ich in Frances‘ Zimmer stand und mich in ihrem verschmierten Spiegel betrachtete, kam ich mir plötzlich zu festlich gekleidet vor. Die einzigen passenden Schuhe, die ich hatte, waren unbequeme Slingpumps, die vorne spitz waren und Spikeheels hatten. Am Ende des Abends würde ich halb erfroren und verkrüppelt sein - so viel war sicher.
    »Wieso tragen Frauen solche blöden Dinger an den Füßen?«, sagte Rad, als er mich zum Auto hinken sah.
    »Tja, heute Abend suchen wir einen Mann für Abigail«, verkündete Frances, als wir endlich auf dem Weg waren. »Rot!«, kreischte sie, als Rad heftig auf die Bremse trat.
    »Sag das nicht so, als sei es eine so große Herausforderung«, murrte ich.
    »Ich bin froh, dass wir den Rollschuh um die Ecke geparkt haben«, sagte Nicky, als wir die Auffahrt hinaufliefen, die dem Vorhof eines Ausstellungsraums für Luxuswagen ähnelte. Das Haus, das einen Blick auf Wimbledon Common hatte, war ein dreistöckiges Herrenhaus, geschützt durch schwere Sicherheitstore aus Eisen, wie meine Mutter sie sich wahrscheinlich erträumte, und durch eine hohe, mit Wistarien und Geißblatt bewachsene Mauer.
    An der Haustür wurden wir von einem Mann mit schwarzem Schlips abgefangen, der uns ums Haus herum in den Garten dirigierte. Es war schwer zu sagen, ob er ein Partygast war oder ein professioneller Platzanweiser. Ich kam mir vor wie eine Hochstaplerin, die kurz davor war, in der Öffentlichkeit entlarvt zu werden. Aus Nervosität wurde mein Lächeln starr.
    »Schau nicht so unsicher«, zischte mir Frances ins Ohr. »Wir sind ordnungsgemäß eingeladen.«
    Im Vorfeld hatte einige Unsicherheit darüber geherrscht, was wir mitbringen sollten. »Das wird nicht die Art Party sein, zu der man ein Six-Pack mitnimmt«, sagte Nicky.
    »Wenn es ihr achtzehnter ist, sollten wir ihr ein Geschenk mitbringen«, sagte Frances. »Aber woher sollen wir wissen, was sie schon hat?«
    »Kauft was Billiges«, schlug Lexi vor. »Egal was ihr nehmt, es wird den Anforderungen sowieso nicht entsprechen. Aber verpackt es aufwändig.«
    Auf diesen Rat hin hatte Frances eine Basil-Brush-Fingerpuppe in einer Schachtel verpackt und großzügig mit Bändern und Schleifen geschmückt. Sie vergaß es der Gastgeberin zu überreichen, als wir ihr vorgestellt wurden, und am Ende des Abends hatte sie das Päckchen noch immer in der Hand.
    Im Garten war die Party bereits im Gange. In den Bäumen funkelten winzige bunte Lichter, und auf dem Krocketrasen spielte ein altmodisches Grammofon knisternd ein paar Wiener Walzer, während einige Paare - meist im Alter meiner Eltern - sich gekonnt drehten. Mitten auf dem Rasen stand ein Festzelt, aus dem ständig Leute mit beladenen Tellern herauskamen. Kellnerinnen in Uniform reichten Champagner und Appetithappen herum. Die jüngeren Leute waren sehr schick angezogen. Mehrere Mädchen trugen lange Ballkleider und ihre Partner Smoking. Plötzlich kam mir mein schwarzes Kleid nicht mehr ganz so schick vor.
    »Ich wusste, ich hätte mir einen schwarzen Schlips umbinden sollen«, murrte Nicky.
    »Ich glaube nicht, dass ich einen Schlips besitze«, sagte Rad sinnierend. »Nicht seit Mum meine alte Schuluniform verhökert hat.«
    »Welche ist es denn?«, fragte Frances.
    Rad und Nicky suchten die Grüppchen auf dem Rasen ab.

Weitere Kostenlose Bücher