Seejungfrauen kuesst man nicht
dem Küchentisch, ließ die Beine baumeln und blätterte Lexis Vogue durch.
»Wie hätten Sie‘s denn gern?«, fragte ich mit alberner Stimme.
»Ahm, ich möchte gern was sehen können. Aber ich will nicht wie ein Rekrut aussehen. Wenn du das hinkriegst.«
»Kein Problem«, sagte ich und fragte mich, wo ich anfangen sollte. Ich schnitt versuchsweise hinten ein bisschen was ab, bevor ich im Spiegelbild der Ofentür seinen Blick auffing. Ich lächelte nervös. Er lächelte nicht zurück.
Growth kam hereingeschlendert, drehte in der Hoffnung auf den einen oder anderen Leckerbissen ein paar Runden um unsere Knöchel und ließ sich schließlich zwischen meinen Füßen nieder. Ich schnippelte mit größerer Entschlossenheit weiter. Zu meinen Füßen bildete sich ein kleiner Haufen aus schwarzen Locken, die sich zu Flaum verwandelten, als sie trockneten. Er hat schließlich Locken, redete ich mir zu. Da fallen kleinere Unregelmäßigkeiten gar nicht auf. In der Küche war zwischen Tisch, Stuhl, Einbaumöbeln und Hund nicht viel Platz zum Manövrieren, und ich entschuldigte mich ständig, weil ich mich vorbeiquetschte oder mit dem Ellbogen Rads Hinterkopf streifte. Frances unterhielt uns, indem sie uns Schönheitstipps vorlas. »Vermeiden Sie hässliche Stirnrunzeln, indem Sie sich über Nacht ein Stück Klebeband zwischen die Augenbrauen kleben.«
»Oder versuchen Sie, die Stirn nicht zu runzeln«, sagte ich.
»Klebeband ist auch praktisch, um ein Dekolleté vorzutäuschen.«
»Allmächtiger. Frauen sind so oberflächlich«, sagte Rad.
»Da kann ich dir nur zustimmen«, sagte Mr. Radley, der in der Tür erschien. »Ich kann dir nur raten, dich von ihnen fern zu halten.«
»Pass auf, was du sagst«, sagte Frances zu Rad. »Abigail hat mal einem Mädchen den Zopf abgeschnitten, weil es ihr auf die Nerven fiel.«
Rad besah sich die Schere.
»Wirklich?«, sagte Mr. Radley und sah mich mit neuem Respekt an. »Das hätte ich gern gesehen.«
»Damals war ich erst neun«, sagte ich.
»Und schau dich jetzt an. Was ist aus diesem Kampfgeist geworden?«
»Der wurde mir durch meine spießige Erziehung ausgetrieben«, antwortete ich in dem Wissen, dass ihn das freuen würde.
»Tja, das stimmt wahrscheinlich«, sagte er und zwängte sich vorsichtig an mir vorbei, um an den Kühlschrank zu gelangen. »Leer wie immer«, sagte er empört. »Ach nein, warte - was zum Teufel macht das denn hier drin?« Er holte eine Flasche blutroten Nagellack aus dem Eierfach.
»Dann trocknet er bei der Hitze nicht ein«, erklärte Frances.
»Typisch. Nagellack im Kühlschrank, aber nichts zu essen. Hat irgendjemand vor, in naher Zukunft einkaufen zu gehen? Essen wir heute Abend eigentlich was?«
»Tja, wir schon«, sagte Frances. »Wir gehen auf eine Party.«
»Oh schön, Hauptsache euch geht‘s gut«, sagte ihr Vater. »Es sieht so aus, als würde ich heute Abend in meinem Klub speisen.« So bezeichnete er das griechische Restaurant in der Hauptstraße. Er holte einen Zehnpfundschein aus seiner hinteren Hosentasche. »Das ist das Geld, das ich dir schulde«, sagte er zu Rad.
»Oh, danke«, sagte Rad und streckte ihm die Hand hin.
»Ich muss es mir nur zurückborgen, um mir ein Kebab zu holen«, sagte er und steckte es wieder ein. »Viel Spaß auf eurer Party«, fügte er hinzu. Und dann zog er summend ab.
Ich war immer noch am Kämmen und Schneiden, aber mit immer weniger Überzeugung. Alle paar Minuten musste ich den Kamm nass machen - Rads Haare trockneten schneller, als ich sie schneiden konnte.
»Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?«, wagte er zu fragen, als das Haar an den Seiten durch mein Streben nach Gleichmäßigkeit immer kürzer wurde. Ich stand vor ihm, an den Ofen gequetscht, und biss mir vor Konzentration auf die Lippe.
»Natürlich«, sagte ich leise und zerrte an der Haarsträhne über einem Ohr, als würde ich versuchen, eine Perücke geradezuziehen, die verrutscht war.
»Au. Durch Ziehen wird es auch nicht länger.«
Ich legte die Schere beiseite. Ich kam mir vor wie ein Bergsteiger, den auf der Hälfte einer Felswand der Schwindel packt. Kann nicht mehr weiter. Kann nicht zurück. »Ich stecke fest«, sagte ich.
Rad öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann anders und stieß stattdessen einen Seufzer aus, der darauf schließen ließ, dass seine Geduld bis aufs Äußerste strapaziert war, bevor er die Schere nahm und wegging, um sich einen Spiegel zu suchen.
»Für das, was ich
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