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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Sie ist ziemlich groß, blond und sieht ziemlich gut aus«, sagte Nicky. Das half nicht viel.
    »Für mich sehen sie mit hoch gestecktem Haar alle gleich aus«, sagte Rad und schüttelte den Kopf.
    »Und ich hatte eine Gehirnerschütterung«, sagte Nicky.
    Wir waren noch nicht weit gegangen, als ein Mädchen im grünen Taftkleid sich aus einer Gruppe löste und übers Gras auf uns zugerauscht kam. Ihre blonden Haare waren zu einem brutal gesprayten Knoten hochgebunden.
    »Ihr seid gekommen!«, sagte sie offensichtlich überrascht und erfreut, wobei sie sehr weiße, gleichmäßige Zähne zeigte. »Ich freue mich sehr. Ich besorge euch was zu trinken«, sie brach ab und ließ mit einer bloßen Neigung des Kinns eine der Tablett-Trägerinnen zu sich kommen, »und dann werde ich euch mit ein paar Leuten bekannt machen. Ich bin übrigens Anne«, sagte sie angesichts Rads und Nickys Versäumnis, uns einander vorzustellen, zu mir und Frances. »Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen besoffen«, vertraute sie uns an, »deshalb tue ich das gleich, solange ich mich noch an alle Namen erinnern kann.« Völlig entwaffnet ließen wir uns von Gruppe zu Gruppe herumreichen, bis unsere Integration endlich vollbracht war. Das war ein langsamer und mühsamer Prozess: Gespräche wurden mittendrin unterbrochen, als wir vorgestellt wurden, und nach verlegenem Schweigen wieder aufgenommen, als wäre nichts geschehen. Aber unsere Gastgeberin war unermüdlich und gab nicht auf, bis sie Nicky und Frances bei ein paar Schulfreunden gelassen hatte, Rad bei ein paar Mitgliedern des Ruderachters ihres Bruders, und mich bei ihren Eltern.
    Mr. Trevillion war groß, hatte graues Haar und dramatische schwarze Augenbrauen, die aussahen, als hätten sie einmal zu einer Maske mit falscher Nase und Brille gehört, tatsächlich aber echt waren. Er schien ein wenig perplex, dass sich in seinem Garten so viele fremde Leute amüsierten.
    »Sie sind eine Tennisfreundin von Anne?«, sagte er, als er an meiner Hand zerrte. Er hatte nicht richtig zugehört, als seine Tochter ihren Bericht über die Kette von Zufällen herunterrasselte, die uns verband. Ich hatte keine Lust, die ganze Geschichte noch einmal zu erzählen: Auf der Suche nach vielversprechenderer Gesellschaft blickte er schon über meine Schulter.
    »Sozusagen«, antwortete ich.
    »Prima. Ich hole Ihnen noch etwas zu trinken.« Und er ergriff mein leeres Glas und flüchtete. Das war bis zum unglücklichen Ende der Party ein paar Stunden später das Letzte, was ich von ihm sah.
    »Dann sind Sie keine Schulfreundin von Anne? Nein, nein«, sagte Mrs. Trevillion, die die entnervende Angewohnheit hatte, eine Frage zu stellen, meine Antwort vorauszusehen und mir den Bruchteil einer Sekunde zuvorzukommen. »Hatten Sie einen weiten Weg? Nicht allzu weit, nein, gut.« Aus den Augenwinkeln sah ich Nicky, der gerade den Augenblick vorspielte, als der verhängnisvolle Tennisball ihn mit voller Wucht traf.
    »Wir hatten schreckliches Glück mit dem Wetter«, sagte Annes Mutter und schaute auf meine nackten Schultern. »Ich weiß nicht, was wir getan hätten, wenn es geregnet hätte.« Danach folgte eine Pause, während wir beide zum wolkenlosen Himmel blickten. Meine Wangen fingen vor Lächeln langsam an zu schmerzen. Lass dir bloß was einfallen, drängte ich mich selbst. Die Kunst, einfache Sätze zu bilden, die ich seit früher Kindheit als selbstverständlich empfunden hatte, schien mir entfallen zu sein. Ihr ein Kompliment über ihr Kleid zu machen, schien unangebracht, so elegant es auch war.
    »Das ist ein schöner Garten«, brachte ich schließlich zu Stande und wurde für diese Banalität mit einem erfreuten Lächeln belohnt.
    »Gefällt er Ihnen? Oh, gut. Er ist meine große Leidenschaft. Ich habe einen wunderbaren Helfer, der die schwere Arbeit macht und mir die Sachen überlässt, die Spaß machen. Soll ich Sie herumführen?« Mein Herz wurde schwer - meine Schuhe drückten sowieso schon. Ich folgte ihr um das Festzelt herum, wobei ich den Rasen mit meinen Absätzen auflockerte, während sie mir die spalierten Birnbäume und die Quittenhecke zeigte und im Vorbeigehen die Namen der Sträucher herunterleierte wie eine lateinische Litanei. Am Ende des Gartens stand ein riesiger Schuppen mit einem Vorhängeschloss an der Tür. »Das ist die Werkstatt meines Sohnes«, erklärte sie. »Er bastelt an alten Motorrädern herum.« Durch die staubigen Fenster konnte ich die Umrisse eines halben Dutzends

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