Seejungfrauen kuesst man nicht
Chaiselongue und schaltete den Fernsehapparat ein. Als es laut wurde, bewegte sich Rad, aber seine Augen blieben geschlossen. »Das Bild kommt mir sehr hell vor«, sagte er. »Hast du an den Schaltern rumgefummelt, Frances?« Sie verneinte. Ich hielt den Kopf gesenkt. »Seltsam«, sinnierte er. »Muss ein plötzlicher Stromanstieg sein.« Er beobachtete Frances bei ihrer Näharbeit. »Weißt du Frances, in primitiveren Zeiten saßen die Frauen herum und flickten alte Wäsche anstatt mutwillig neue zu zerstören.« Frances steckte zwei Finger durch den Schlitz am Hintern ihrer Jeans und wackelte mit ihnen.
»Ihr beide«, fuhr er fort und ignorierte sie, »gebt so ein wunderbares Bild ab, dass ich euch fragen möchte, ob ihr mir Modell stehen würdet.« Gegen unseren Willen fühlten wir uns geschmeichelt.
»Was, hier?«, fragte Birdie.
»Nein, nein, oben, wo das Licht besser ist. Es würde euch doch nichts ausmachen, jeden Nachmittag eine Stunde oder so still zu sitzen? Ihr habt doch nichts Besseres zu tun, oder?«
»Passt mir gut«, sagte Birdie. »Da kann ich einiges durchlesen.«
»Kann ich nicht auch lesen?«, protestierte ich.
»Nein, ich möchte, dass du diese Perlen hältst«, sagte Mr. Radley.
»Kann ich einen Walkman tragen?«
Er richtete die Augen gen Himmel. »Wenn ich mit deinen Händen fertig bin, lasse ich dich vielleicht lesen«, räumte er ein.
»Kann ich das Gemälde kaufen, wenn es fertig ist?«, bat Birdie. Sie war mit seinem Werk noch nicht vertraut. »Es sei denn, Abigail will es auch.«
»Ihr werdet darum knobeln müssen«, sagte Frances. »Der Verlierer muss das Bild behalten.«
Birdie kam ein Gedanke. »Müssen wir uns ausziehen?«
»Nein, nein.« Mr. Radley lachte nachsichtig. »Nur wenn ihr wollt.«
»Wollen wir nicht«, sagte ich.
»Mir würde es eigentlich nichts ausmachen«, sagte Birdie. »Nacktheit ist keine Schande.«
»Hast du das von Mum?«, fragte Frances.
»Künstler sind wie Ärzte«, fuhr Birdie fort. »Ich meine, man würde sich auch nichts dabei denken, sich vor seinem Hausarzt auszuziehen.«
»Vielleicht doch, wenn er weder qualifiziert noch talentiert wäre«, sagte Rad von der Couch, ohne sich zu bewegen.
Mr. Radley tat so, als würde er sich vor Lachen schütteln. »Ich wusste, dass er nicht wirklich geschlafen hat«, sagte er. »Mein Sohn lässt sich leicht provozieren«, erklärte er Birdie laut flüsternd.
»Ich habe geschlafen, bis du so rücksichtsvoll den Fernseher angestellt hast.«
Das ignorierte Mr. Radley. »Übrigens, Rad, obwohl ich zugebe, dass du eventuell gewisse Rechte auf Abigail hast, verstehe ich nicht, wieso du dieses Privileg auch auf ihre Schwester ausdehnst.«
Rads Reaktion auf solche Witze, die er hasste, war normalerweise ein plötzlicher Anfall von Aufgeblasenheit. »Ich behaupte nicht, irgendwelche Rechte auf Abigail zu haben«, sagte er. »Oder auf sonst jemanden. Es war nur ein freundlicher Rat.«
Sein Vater grinste aufreizend, froh darüber, es geschafft zu haben, Rad zu provozieren.
Birdie, die vor Rad ein wenig Furcht hatte, beschloss nach längerer Überlegung, dass der Kunst ebenso gedient war, wenn sie angezogen blieb.
Mr. Radley war ein peinlich genauer Porträtist. Er schien sehr schnell zu vergessen, dass wir nur auf seine Bitte hin im Studio waren, und hielt das Unternehmen stattdessen für einen großen und lästigen Gefallen seinerseits. Birdie machte es nichts aus - sie raste nur so durch Virginia Woolf. Ich saß mit diesen verdammten Perlen auf den Dielen. Als ich gegen die Langeweile um Musik bat, bot mir Mr. Radley gregorianische Gesänge an oder nichts, und er gab missbilligende Geräusche von sich, als ich einen Krampf bekam und im Zimmer umherhumpeln musste.
Zuerst konnten Birdie und ich uns nicht unterhalten, ohne uns umzudrehen oder uns zum Lachen zu bringen, aber nach und nach gewöhnten wir uns daran, und nach einer Weile konnten wir Mr. Radleys Seufzen und Stöhnen und das Quietschen von Kohle auf Leinwand ignorieren und so weiterreden, als wäre keiner da. Unsere Gespräche kamen immer auf dasselbe Thema zurück - auf »uns«.
»Birdie ist nicht dein richtiger Name, oder?«
»Nein. Elizabeth. Elizabeth Katherine Cromer. Aber ich war eine Frühgeburt, und Mum sagt, ich hatte so dünnes Haar auf dem Kopf wie nasse Federn, und winzige Hühnerbeine, ich sah aus wie ein Vögelchen, das aus dem Nest gestoßen worden ist. Niemand hat mich je anders als Birdie genannt.«
»Wenn du schon immer von mir
Weitere Kostenlose Bücher