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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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brüllte vor Lachen.
    Es dauerte einige Tage, bevor Rad und ich einen Augenblick fanden, in dem wir mehr als ein paar Sekunden allein waren. Während der Heimfahrt von Birdie in jener Nacht hatten wir kaum miteinander gesprochen.
    »Mit dir wird es nie langweilig, Abigail«, hatte Rad leise gesagt, als wir losgefahren waren, und ich hatte gelacht, fand aber nicht die richtigen Worte, um das Gespräch wieder aufzunehmen. Mein Gehirn fühlte sich an wie verknotet. Es war, als hätten diese beiden großen Ereignisse - dass Rad mich entdeckt hatte und ich Birdie, auf die mein ganzes Leben hingeführt hatte, wie es jetzt schien - sich durch den grausamen Zufall, gleichzeitig eingetreten zu sein, gegenseitig aufgehoben. Eine Gleichung, die ich nie richtig verstanden hatte, spielte sich ständig von neuem in meinem Kopf ab: Licht plus Licht gleich Dunkelheit. Wie konnte ich über meine Beziehung zu Rad nachdenken, wenn mein Kopf voll von Birdie war? Was bedeutete mir eine ganze Horde Schwestern im Vergleich mit ihm?
    Als wir bei mir zu Hause angekommen waren, wo er mich absetzen sollte, damit ich meinen märtyrerhaften Abschiedsbrief schreiben und ein paar Sachen zusammenpacken konnte, war ich bereits überzeugt, dass Rad die ganze Episode auf der Party schon längst abgeschrieben hatte. Doch als wir anhielten, genau in dem Moment, als die blaue Morgendämmerung anbrach, sagte er, ohne mich anzusehen: »Ich weiß, du hast jetzt wichtigere Dinge im Kopf, und ich weiß, dass du vorhin betrunken warst, aber ich nicht, und ich habe das alles ernst gemeint«, und da wusste ich, dass zwischen uns alles in Ordnung war.
    Es war jedoch nicht leicht, unter den scharfen Blicken der restlichen Radleys unsere Beziehung wieder aufzunehmen. Rad hatte kein Talent zum Flirten, und das beruhigende Zunicken und Lächeln, das wir in Gesellschaft austauschten, hätte noch monatelang unentdeckt bleiben können. Ich beschloss, die schnellste Methode, die Nachricht zu verbreiten, wäre, es Frances direkt zu sagen.
    Obwohl ich schon immer den Verdacht gehegt hatte, dass sie dagegen sein würde, überraschte mich ihre mangelnde Begeisterung trotzdem.
    »Du nimmst mich auf den Arm«, hatte sie gesagt, als ich das Thema ansprach.
    »Tu ich nicht.«
    »Aber ihr passt überhaupt nicht zusammen.«
    »Wieso?«
    Sie gab diese Argumentation auf. »Was ist, wenn etwas passiert - wenn ihr euch trennt? Dann wird es für uns wirklich schwer, befreundet zu bleiben.«
    Ich lachte unsicher. »Das ist ein bisschen zu viel der Familienloyalität, findest du nicht?«
    »Nicht unbedingt«, sagte sie. »Ich meine, wenn du und Rad einen Riesenkrach hättet, müsste ich mich entscheiden, oder? Und ich müsste mich für Rad entscheiden.«
    »Dann gilt für dich und Nicky dasselbe«, sagte ich.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Darüber mache ich mir auch Sorgen.«
    Lexis Reaktion war ermutigender. »Ach, wirklich ? Was für eine gute Idee«, sagte sie, als Frances die Information an sie weitergab, als wären praktische Gründe unsere Hauptmotivation gewesen.
    Rad arbeitete den Sommer über wieder in der Bäckerei, deshalb lehnte ich eines Morgens in der darauf folgenden Woche, als Lexi im Büro war und Mr. Radley an all die Pubs auf seiner Route Bindeneimer auslieferte (sein neuester Abstieg auf der Karriereleiter), Frances‘ Vorschlag ab, einen Großeinkauf zu machen, und ermunterte sie, ohne mich zu gehen.
    »Wartest du auf Rad?«, fragte sie. »Er wird wahrscheinlich erst spät kommen. Mum hat ihm eine ganze Liste mit Besorgungen aufgehalst.«
    »Ist schon okay«, sagte ich. »Ich bin Warten gewöhnt.«
    Ich schlich durchs Haus und schlenderte auf der Suche nach Ablenkung von einem Zimmer ins andere. Ich holte mein Cello hervor - einen der wenigen Gegenstände, die ich von zu Hause importiert hatte - und spielte im Esszimmer, wo die nackten Dielen einen schönen vollen Klang verursachten, ein paar leichte Stücke. Dann fiel mir Auntie Mim oben ein, und ich stellte es wieder weg. Ich mochte es nie, ohne Begleitung vor Publikum zu spielen: Die Anonymität eines Orchesters ist für mich genau das Richtige. Growth strich um meine Füße und wollte spielen. Ich hatte Erbarmen mit ihm und warf seinen Gummiknochen durch das Wohnzimmer, er rannte los und apportierte ihn, wobei er vor Freude mit den Augen rollte. Ohne mir etwas zu denken, schrieb ich meinen Namen in den Staub auf dem Fernsehbildschirm, bemerkte dann, dass das aussehen könnte, als wollte ich auf etwas aufmerksam

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