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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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etwas zu trinken und einen kleinen Imbiss. Cecile durfte ein Glas Sherry trinken, vielleicht auf Grund ihres Alters. Alle anderen bekamen Orangensaft. Lexi hatte ein paar fertige Cocktailsnacks gekauft, die auf Teller gekippt und herumgereicht wurden.
    Mir fiel auf, dass das Foto von Auntie Mims »einziger großen Liebe« jetzt bei den anderen Familienfotos auf dem Sekretär stand. Ich beschloss, Lexi auf die Probe zu stellen.
    »Wer ist das?«, fragte ich, als sie mit kleinen Käsestangen an mir vorbeikam.
    »Marigold Bray«, sagte sie, ohne zu zögern. »Sie war Auntie Mims Freundin. Hübsch, nicht?« Und schon war sie weiter. Cecile, eine passionierte Klatschtante, hatte diesen Wortwechsel mitbekommen und war schnell auf den Platz gerückt, den Lexi geräumt hatte.
    »Sie war lesbisch, als sie jünger war«, sagte Cecile, als wäre das ein Hobby, aus dem man herauswuchs. »Sie hatte eine Art Beziehung mit einer anderen Lehrerin an der Schule, an der sie arbeitete. Sie war damals Mitte zwanzig. Wusstest du, dass sie unterrichtet hat? Ja, Kochen. Wirklich kaum zu glauben, wenn man drüber nachdenkt.«
    »Und was ist dann passiert?«
    »Ihre Eltern haben es herausgefunden und sie in eine Anstalt einweisen lassen. Sie war sechs Monate dort, und als sie herauskam, war sie völlig geheilt. Na ja, sie hat nie geheiratet. Und von der Zeit an aß sie nichts mehr außer Kartoffeln und Rosenkohl. Ist das nicht seltsam?«
    »Sie war nicht ›geheilt‹, sie war völlig gebrochen.« Lexi war wieder ins Zimmer gekommen und hatte den letzten Teil unseres Gesprächs mit angehört. »Mir graut, wenn ich darüber nachdenke, was sie ihr dort angetan haben. Sie hat den Rest ihres Lebens nicht mehr gearbeitet.« Während dieses Wortwechsels war es im Zimmer still geworden.
    Alle hörten zu.
    »Wovon hat sie denn in den folgenden siebzig Jahren gelebt?«, fragte ich.
    »Sie ist zurück zu ihren Eltern gegangen, und die haben für sie gesorgt, bis sie zu alt wurden, und dann hat sie sich um sie gekümmert. Ihre ältere Schwester - Mums Mutter war schon verheiratet und nach Belgien gezogen, und Mim war mit ungefähr fünfundzwanzig zur Rolle der unverheirateten Tante verdammt. Sie bekamen nie Besuch und gingen nie irgendwohin, deshalb hatte sie auch keine Gelegenheit, jemanden kennen zu lernen.«
    »Warum hat sie nur Rosenkohl und Kartoffeln gegessen?«, fragte Frances, die sich inzwischen zu uns gesellt , hatte. »Haben sie ihr in der Klapsmühle nur das gegeben?«
    Lexi gab missbilligende Geräusche von sich. »Ich weiß es nicht. Bevor sie eingesperrt wurde, war sie Lehrerin und eine wunderbare Köchin. Ich glaube, es war ihre Art, ihren Eltern zu zeigen, dass sie ihr Schaden zugefügt hatten.«
    »Wieso haben sie und Marigold ihnen nicht gesagt, sie sollen sich verpissen?«, sagte Frances.
    »In diesen barbarischen Zeiten respektierten Kinder ihre Eltern noch«, sagte Mr. Radley.
    »Sie war keine Rebellin«, sagte Lexi. »Und ihre Karriere als Lehrerin war zu Ende - es war damals für Frauen viel schwerer, unabhängig zu sein.«
    »Ich wünschte, ich hätte das alles gewusst, als sie noch am Leben war«, sagte Frances entrüstet. »Dann hätte ich mir mehr Mühe gegeben, sie mal auszuführen, damit sie ein bisschen Spaß gehabt hätte.«
    »Du meinst, in den Tattoo-Salon oder zu Miss Selfridge, um Make-up auszuprobieren?«, sagte Rad.
    Frances ignorierte ihn. »Warum ist sie nicht ausgegangen und hat was unternommen, als ihre Eltern tot waren?«
    »Da war sie schon um die fünfzig.«
    »Das ist nur so alt wie du, und du bist auch nicht zu alt, um auszugehen und dich zu amüsieren.«
    »Wahrscheinlich hat sie es einfach nicht mehr hingekriegt. Selbstverleugnung kann zur Gewohnheit werden wie alles andere auch.«
    »Meine Frau ist Expertin in Selbstverleugnung, wie ihr alle wisst«, sagte Mr. Radley.
    »Wenn ich es mir jetzt so überlege«, fiel Lexi ihm ins Wort, »hat sie mir einmal erzählt, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter versucht hat, Marigold ausfindig zu machen, und schließlich rausgefunden hat, dass sie nach Kenia ausgewandert ist. Das war dreißig Jahre nachdem sie den Kontakt verloren hatten, und Auntie hatte die Sache mit ihr immer noch nicht überwunden.«
    »Tja, ich hab ja schon immer gesagt, Liebe hält länger, wenn sie unglücklich ist«, sagte Clarissa.
    Ich sah automatisch zu Rad hinüber und kam in den Genuss eines seiner süffisanten Blicke. Neben ihm, von allen anderen unbemerkt, starrte Lawrence Lexi

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