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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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glaubt an gar nichts, aber sie ist sehr spirituell. Glaubt deine Mum an Gott?«
    Ich dachte einen Augenblick nach. Sie glaubte daran, in die Kirche zu gehen: Mehr als das konnte ich nicht sagen.
    Um zu vermeiden, dass wir zu noch mehr Wäschediensten oder Möbelrücken abkommandiert wurden, gingen wir mit Growth in den Wald. Als er die Leine sah, drehte er durch, wirbelte in engen Kreisen um unsere Füße herum und sprang dann mit rollenden Augen in die Luft. Frances versuchte ihm beizubringen, ein Bonio zu apportieren, das sie zwischen den Zähnen hielt, ein Trick, der sie fast die Nase kostete und ihre untere Gesichtshälfte vor Geifer triefen ließ.
    »Iih, fast«, sagte sie und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab, während Growth seinen dritten Hundekuchen verschlang, wobei er gleichzeitig knabberte und würgte.
    Er zerrte uns den gesamten Weg bis zum Wald. Er zog so heftig an der Leine, dass eine Fettrolle über sein Würgehalshand quoll. Sobald er ohne Leine war, schoss er in die Büsche und war innerhalb von Sekunden nicht mehr zu sehen.
    »Der Wald ist dunkel, tief und schön«, intonierte Frances, während sie durch die blauen Wiesenglockenblumen stiefelte. Wir hatten das Gedicht von Robert Frost gerade als Übung zum Textverständnis gelesen. Stell dir vor; du bist der Dichter. Schreib eine Geschichte, in der du erklärst, was dich bewogen hat, in den Wald zu gehen, und wohin du willst . In meiner Geschichte war der Dichter ein bescheidener Holzfäller, der an Heiligabend mit einem Bündel Feuerreisig zu seiner Familie zurückkehrt. Frances‘ Version hatte einen fahrenden Spielmann, den einzigen Überlebenden einer glücklichen Schauspieltruppe, die von Wölfen angefallen worden war; es gab mehrere Nebenhandlungen, und sie hatte der Geschichte einen Stammbaum beigefügt.
    Es dauerte Stunden, bis wir Growth lokalisierten. Er war sofort aus dem Wald hinaus zu den Sportplätzen gerast und hatte sich danebenbenommen, indem er ein Fußballspiel gestört hatte, hinter dem Ball hergetollt war und schließlich an einem Mantelhaufen hinter dem Torpfosten das Bein gehoben hatte. Frances holte ihn zurück, indem sie vom Spielfeldrand aus eindringlich nach ihm pfiff.
    »Hey, ich hoffe, du bezahlst die Reinigung für diesen Mantel«, rief einer der Spieler wütend. »Das ist Wildleder.«
    Frances leinte den Hund wieder an, und nachdem sie befunden hatte, der Mann sei zu weit weg, um ihr hinterherzujagen, sprintete sie mit Growth in den Wald, während ich verängstigt hinterherkeuchte. Wir hielten erst an, als wir vor der Haustür waren, wo wir vor Lachen und Seitenstechen nach Luft rangen, während der Missetäter zu unseren Füßen aufs Neue seinen Schwanz jagte und herumhüpfte. Der Auslauf hatte ihn bei weitem noch nicht erschöpft, sondern schien ihn nur noch lebhafter zu machen. Frances ließ ihn in der Halle los, und er jagte ins Wohnzimmer und klemmte sich unter den Gasofen, der glücklicherweise nicht an war. Mrs. Radley, inzwischen anständig in einen bodenlangen Morgenmantel gekleidet, lag auf der Couch und sah sich einen Schwarzweißfilm an. Frances hatte mir einmal erzählt, dass sie als Kind Schauspielerin gewesen war, und das erschien mir durchaus glaubhaft.
    »Eben ist Fish da gewesen und hat gesagt, er würde später den Schlauch anstellen, falls ihr Mädchen rübergehen und euch nassspritzen lassen wollt«, rief sie uns nach, als wäre das der normalste Vorschlag der Welt.
    Frances verzog angewidert das Gesicht. »Auf keinen Fall .«
    Anscheinend hatte ihr es im Alter von ungefähr vier Jahren Spaß gemacht, an sonnigen Tagen im Nachbargarten unter dem Sprinkler herumzuhüpfen - eine Tradition, von der Fish gehört hatte und die er trotz der Jahre, die dazwischenlagen, unbedingt aufrechterhalten wollte. Lexi dachte sich nichts dabei, aber für Mr. Radley war das ein weiteres Argument gegen den Mann.
    Oben war das Möbelrücken inzwischen mit nur ein paar Beulen und Schrammen an Türrahmen und Tapeten erfolgreich beendet. Das Doppelbett war mitten in Frances‘ Zimmer gestellt worden, wie ein Floß in einem Meer aus Durcheinander - Bücher, Singles, Spiele, Puzzles, einzelne Schuhe, Kleidung, Papier, Kugelschreiber. Ihre Frisierkommode war ähnlich übersät mit Schmuck, Geschirr und noch mehr Papier, und jede Schublade war ungefähr einen Zentimeter weiter herausgezogen als die darüber, wie eine Treppe.
    Frances sammelte einen Arm voll Zeug auf, öffnete ihren Schrank und packte es, ohne es zu

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