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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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einsiedlerischen und einsilbigen Rad in diesen selbstsicheren und großspurig auftretenden Charakter beizuwohnen. Wenn er auf der Bühne so überzeugend den liebeskranken Helden spielen konnte, schlussfolgerte ich, musste er doch sicher auch im wahren Leben ein wenig Sympathie für diesen Typen hegen?
    Während der Pause wurden im Schulfoyer Erfrischungen gereicht: bitterer Kaffee und knotige selbst gemachte Kekse, auf die Frances sich stürzte, als wären sie eine Delikatesse. Von allen Seiten konnte ich Gesprächsfetzen mithören: »... dieser Junge, der die Hauptrolle spielt«, »... Bühnenpräsenz«, »... wunderbar«, »... Reife«, »... doch sicher auf die Schauspielschule, oder?«, und spürte, wie ich vor Stolz glühte, weil ich ihn kannte. Der Regisseur der Produktion, Rads Schauspiellehrer, ein kleiner, relativ junger Mann in einer schwarzen Lederjacke, schob sich durch die Menge zu uns, wobei er ein paar Glückwünsche entgegennahm. Er machte sich mit Lexi bekannt, die Rad ihm, wie er sagte, aus den Kulissen gezeigt hatte, und dann musste er uns vorgestellt werden, was etwas länger dauerte. Er hatte offensichtlich einen Riesenrespekt vor Lexi, denn als sie sich die Hände schüttelten, stieg eine leichte Röte seinen Hals hinauf und legte sich während ihres gesamten Gespräches nicht mehr.
    »Mir gefällt die Aufführung sehr gut«, sagte Lexi und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. Es war ihr gelungen, ihre schlechte Laune zu überwinden.
    »Das ist alles Ihrem Sohn zu verdanken - er ist außergewöhnlich talentiert. Ich hatte gehofft, Sie heute Abend zu treffen, weil ich versucht habe, Rad zu überreden, sich an der Schauspielschule zu bewerben, aber er scheint etwas unschlüssig zu sein. Ich habe mich gefragt, ob Sie ihn vielleicht dazu überreden könnten.«
    »Oh, ich würde meine Kinder nie zu etwas überreden, worin sie sich unschlüssig sind«, sagte Lexi fest, aber immer noch lächelnd. »Dafür respektiere ich ihr Urteil zu sehr.«
    »Ja, natürlich.« Die Röte wurde noch einen Ton tiefer. »Ich will nur nicht, dass er sein Talent vergeudet - er ist wirklich außergewöhnlich.«
    »Aber er ist in so vielen Dingen außergewöhnlich«, unterbrach Cecile und klapperte mit ihren Armreifen, die ständig auf ihre Spitzenmanschetten stießen. Sie hatte einen starken deutschen Akzent, obwohl Frances sagte, sie lebte schon seit über fünfzig Jahren in England. Aber von Lexis Mutter hätte ich auch nicht erwartet, dass sie ihr Verhalten änderte, nur um sich ihrer Umgebung anzupassen: Das lag nicht in der Familie. »Englisch, Französisch, Geschichte, Mathematik, Rugby, Schwimmen, Schach, Schauspielerei, Singen ...« Sie übertrieb. Rad konnte keinen Ton singen. Ich sah Frances von der Seite an, um zu sehen, wie sie die öffentliche Beweihräucherung Rads aufnahm. So etwas konnte das Selbstvertrauen unterminieren. Sie wirkte unbeeindruckt: Sie war daran gewöhnt, dass seine vielfältigen Talente aufgezählt wurden. Außerdem war sie damit beschäftigt, sich nach Nicky umzusehen. Endlich entdeckte sie ihn mit seinen Eltern, Geburtsh. und Anw., und starrte ihn so intensiv an, als könnte sie ihn durch reine Willenskraft dazu bringen, sich umzudrehen. Was sie schließlich auch tat. Er hob zum Gruß seine Kaffeetasse, und sie warf ihm eine Kusshand zu, worauf er sich vor Verlegenheit duckte.
    Ein Klingeln zeigte das Ende der Pause an, und die Menschenmenge bewegte sich langsam zurück in den Zuschauerraum. Lawrence und Clarissa waren kurz rausgegangen, um eine zu rauchen. Ich konnte sie durch die Glasscheibe in der Dunkelheit sehen, in ihren privaten Nebel gehüllt. Als Entreeakt spielte ein Ensemble im Orchestergraben auf traditionellen elisabethanischen Instrumenten »Greensleeves«
    »Was ist das denn für ein seltsames Ding?«, flüsterte Frances und zeigte auf eine Art verkümmerte Posaune.
    »Das nennt sich shagboot (›Bumsstiefel‹)«, sagte Lawrence ernst, worauf wir drei in schallendes Gelächter ausbrachen, das erst von der plötzlichen Verdunkelung und dem Quietschen des sich öffnenden Vorhangs erstickt wurde.
    Ich lehnte mich an die unnachgiebige Rückenlehne meines Holzstuhls, spürte, wie jeder einzelne Wirbel dagegen drückte, und wünschte, ich hätte Ceciles aufblasbares Kissen. Ich konzentrierte mich auf den Luxus, Rad rückhaltlos anstarren zu können - etwas, das im täglichen Leben nicht erlaubt war und genoss die spezielle Wärme, die in einem aufsteigt, wenn man jemanden, den

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