Seejungfrauen kuesst man nicht
herumgekommen zu sein, bei dem die Gefahr bestand, dass er sich geschlagen geben musste. In der Ferne hob sich auf einer Lichtung ein Denkmal vom Himmel ab wie eine große weiße Stimmgabel.
Die Sonne kam gerade hinter der einzigen Wolke am Himmel hervor, als Rad auf den Parkplatz fuhr. Hinter Stacheldrahtzäunen sah ich flache, sich schlängelnde Schützengräben, inzwischen verwittert und von kurz geschnittenem Gras überwachsen. Schlanke Tannen streiften den Himmel. Entree interdite: munitions non éclatées, stand auf den Schildern.
»Sie finden sogar jetzt noch Granaten, die noch nicht detoniert sind«, sagte Mr. Radley. »Das passiert hier überall - jedes Jahr hört man, dass irgendein armes Kind im Wald herumgelaufen ist und sich in die Luft gesprengt hat.« Er ernannte sich selbst zu meinem persönlichen Reiseführer und führte mich hinab in die kanadischen Schützengräben, die von Betonsandsäcken und Lattenrosten geschützt wurden, und zwang mich, mich an einen der Geschütztürme zu stellen und durch das Loch im rostigen Metall auf die gigantischen Krater zu sehen, die uns von der deutschen Front in nicht einmal vierzig Metern Entfernung trennten.
»Warum haben sie die Schützengräben so zickzackförmig angelegt?«, fragte ich.
»Damit die Deutschen nicht den ganzen Schützengraben entlang feuern konnten, wenn er eingenommen wurde. Natürlich wurde es dadurch auch ziemlich schwierig, Bahren zu tragen.«
Es schien unmöglich zu sein, dass wir am Schauplatz eines solchen Gemetzels standen. Die Sonne war warm; eine sanfte Brise bewegte die Blätter; die Schützengräben, sauber, trocken und leer, wirkten fast behaglich; eine goldene Wolke Stechmücken schimmerte über unseren Köpfen; zwei kleine Jungen kullerten die steilen Seiten des größten Kraters herunter und kreischten vor Vergnügen.
»Es kann kaum noch jemand am Leben sein, der sich an all das erinnert«, sagte Mr. Radley und presste sich an den Schützengraben, um nicht von kichernden, keuchenden Kindern überrannt zu werden. »Und wenn meine Generation tot ist, gibt es keinen mehr, dem es etwas bedeutet.«
»Mich wird es noch geben«, sagte Rad, der uns eingeholt hatte. »Mir bedeutet es was. Ich bin nur nicht krankhaft sentimental wie du.« Inzwischen hatte ich mich vollkommen an die feindselige Art gewöhnt, in der Mr. Radley oft von Frau und Kindern angesprochen wurde, und es überraschte mich nicht mehr. Aber das würde ich nicht zu Hause ausprobieren.
Frances und ich waren schon zum Denkmal vorausgegangen. Frances gurrte und schnippte mit den Fingern, als sie eine Gruppe magerer Schafe sah, die die Grashügel auf der Kuppe abweideten. Eins hörte einen Augenblick auf zu kauen und fixierte uns mit leerem Blick, als wir näher kamen.
»Ah, Schafe!«, rief Mr. Radley herzlich. »Symbole der Unschuld.«
»Und der Dummheit«, sagte Rad.
Auf der Kuppe war der Wind stärker, riss an den französischen und kanadischen Flaggen, die am Zugang zum Monument standen, und schlug mir die Haare in die tränenden Augen.
»Hier sieht man, wieso dies ein so wichtiger strategischer Punkt war«, sagte Mr. Radley gestikulierend. Vor uns erstreckte sich die Ebene, winzige Häuserreihen, die durch vulkanisch aussehende Schlackenhalden klein erschienen. Weiße Rauchwolken stiegen aus Schornsteinen so dünn wie Bleistifte.
»Hat aus unserer Familie jemand im Krieg gekämpft?«, fragte Frances, die die Namen der Toten, die um den Sockel des Denkmals herum eingemeißelt waren, inspiziert hatte.
»Nein, meine Liebe, du kommst aus einer langen Linie von Feiglingen«, sagte Mr. Radley und tätschelte ihre Schulter.
»Ich kann nicht glauben, dass so viele Menschen gestorben sind«, sagte ich und zeigte auf die Liste der Namen, die Frances nach gefallenen Radleys absuchte.
»Das ist noch gar nichts«, sagte Rad. »Du solltest erst das Menentor sehen. Vimy vermittelt dir keinen richtigen Eindruck davon, wie es gewesen sein könnte - es ist alles hergerichtet worden. Es sieht mehr einem Golfplatz als einem Schlachtfeld ähnlich. Wenn du ein paar echte Schützengräben sehen willst, solltest du zu Hügel zweiundsechzig gehen. Da gibt es auch ein fantastisches altes Museum.«
»Ist das hier in der Nähe?«, fragte ich.
»Es ist in Belgien. Ypern. Möchtest du es sehen? Wir könnten es an einem Nachmittag über die Autobahn hin und zurück schaffen.« Bei der Aussicht schien er plötzlich aufgeregt zu sein.
»Tja, ich will nicht stundenlang im Auto sitzen,
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