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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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fing meinen Blick auf und winkte uns heran.
    »Ach, Scheiße«, hörte ich Rad halblaut sagen. Er sah wütend aus.
    »Was ist los?«, fragte ich, aber er schüttelte nur den Kopf.
    »Hallo, seid ihr fertig? Trinkt was - ich bezahle«, sagte Mr. Radley und wedelte mit einem Zweihundertfrancschein.
    »Ich nehme nur einen Kaffee, da ich ja zurückfahren werde«, sagte Rad giftig.
    »Oh ja, gute Idee. Das bedeutet, ich kann noch ein Bier trinken. Dieses belgische Zeug ist wunderbar«, sagte sein Vater und rief den Kellner.
    Als die Rechnung kam und Mr. Radley bezahlte, waren nur noch ein paar Francs übrig, die er auf dem Tisch liegen ließ. »Schrecklicher Wechselkurs«, sagte er, als er Rads Gesicht sah. »Man wird ganz schön über den Tisch gezogen.«
    »In deinem Fall über die Theke«, sagte Rad und stolzierte hinaus zum Auto.
    Mr. Radley lächelte mich verlegen an. »Ich glaube, ich mache mich auf der Heimfahrt auf dem Rücksitz lang, wenn ihr nichts dagegen habt. Das grelle Sonnenlicht macht mich ganz schläfrig.«
    Also saßen Rad und ich vorne. Er fuhr und ich las die Karte und war schuld, dass wir uns bei einer Umleitung in der Nähe von Armentieres verfuhren, und Rad wurde ungeduldig - genau wie ein richtiges Ehepaar. Schließlich, als ein leises Schnarchen vom Rücksitz darauf hindeutete, dass Mr. Radley eingeschlafen war, sagte Rad: »Entschuldige, dass ich eben ärgerlich geworden bin. Es lag nicht an dir. Ich koche nur vor Wut wegen Dad. Ich habe Mum versprochen, dass ich ihn nichts trinken lassen würde, aber sobald ich ihm den Rücken zuwende ...«
    Mein Gott, dachte ich. Das ist es also. Er ist Alkoholiker.
    »Er ist kein Alkoholiker«, sagte Rad, und ich wurde rot, weil ich so leicht zu durchschauen war. »Er trinkt nicht oft, aber wenn er einmal anfängt, macht er immer weiter, bis ...« Er verstummte. »Mum wird wütend sein. Außerdem weiß ich nicht mal, woher er das Geld hatte. Ich habe mich um die Finanzen gekümmert.« Wieder errötete ich und sah auf meine Knie.
    »Er hat es sich von mir geborgt«, beichtete ich. »Ich wusste nicht ...«
    »Oh, er ist so ein heimtückischer kleiner Mistkerl«, sagte Rad etwas zu laut, denn die Gestalt auf dem Rücksitz grunzte und bewegte sich im Schlaf. »Hier«, fuhr er leiser fort, holte behutsam seine Brieftasche aus seiner Jeanstasche und warf sie mir zu. »Nimm es dir bitte da raus. Er wird nicht dran denken, es dir zurückzugeben, und ich weiß, du wärest zu höflich, ihn daran zu erinnern.«
    Kurz hinter Bethune wachte Mr. Radley auf, sehr ausgeruht und rundum zufrieden mit unserem Nachmittagsausflug. Doch als er wach war, stellte er fest, dass es ihm nicht gefiel, hinten zu sitzen, weil er sich ausgeschlossen fühlte, und bestand darauf, sich so weit wie möglich nach vorne zu lehnen, die Arme um unsere Sitze gelegt und den Kopf zwischen uns gezwängt.
    »Habe ich irgendwas verpasst, während ich geschlafen habe?«, fragte er. »Worüber habt ihr gesprochen?«
    »Über dich«, sagte Rad.
    Mr. Radley schenkte mir ein bierseliges Lächeln. »Du darfst Rad nicht allzu ernst nehmen«, sagte er in vertraulichem Ton. »Er ist gut in abstrakten Dingen wie Trigonometrie, aber wenn es um zartere Gefühle geht, hat er ein paar Defizite.«
    »Du trauriger alter Mann«, sagte Rad milde.
    Lexi und Frances waren schon fürs Dinner angezogen, geschminkt und parfümiert, und saßen in der Bar, als wir zum Hotel kamen. Frances schrieb Tagebuch und Lexi las ihre gebutterte Biografie über Jackie Onassis. Sie hatten Schuhe kaufen wollen, waren jedoch enttäuscht zurückgekehrt. Entschlossen, nicht mit leeren Händen zurückzukommen, hatte Lexi Rad ein Hemd gekauft.
    »Du musst mir nichts zum Anziehen kaufen, Mum. Ich habe genug«, sagte er und betrachtete bestürzt die Neuanschaffung. Sie war orange.
    »Ja, aber sieh dir an, in welchem Zustand deine Kleider sind«, sagte sie und deutete auf sein verwaschenes graues T-Shirt, von dem man wirklich nicht mehr sagen konnte, welche Farbe es ursprünglich gehabt hatte.
    »Daran ist nichts auszusetzen. Ich kann Sachen nicht einfach wegschmeißen, weil sie alt sind.«
    »Versuch nicht, aus deiner Schlampigkeit auch noch eine Tugend zu machen«, sagte sein Vater. »Dein Mangel an Eitelkeit ist an sich schon eine Form von Eitelkeit. Uns machst du nichts vor.«
    Während ich mich zum Dinner umzog, klopfte es an der Tür, und Mr. Radley kam herein. »Verzeihung«, sagte er und legte eine Hand über die Augen, während ich nach

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