Seekers 03: Auf dem Rauchberg
Fluss. Lusa bemerkte, dass Kallik sich noch einmal umdrehte. Ihre Augen waren voller Trauer und ihre Ohren hoffnungsvoll aufgestellt. Doch dann schüttelte sie sich und ging weiter, ihren Bruder und die anderen Eisbären hinter sich lassend. Lusa fragte sich, ob sie selbst die Kraft dafür aufgebracht hätte.
Toklo übernahm wie üblich die Führung, direkt dahinter folgte Ujurak. Lusa trottete neben Kallik einher. Lange schwiegen sie. Lusa wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Die Gerüche und Geräusche aus dem Höhlengebiet wurden stärker, je näher sie kamen.
»Ujurak hat versucht, mir beizubringen, wie man die Zeichen liest, die uns den Weg weisen«, sagte Lusa schließlich. »Ich glaube, dass wir dich gefunden haben, das war tatsächlich auch ein Zeichen. Meinst du nicht? Ich meine, wenn wir den Ort suchen, wo alle Bären glücklich und zufrieden leben können, dann sollten wir auch von jeder Sorte Bär einen dabeihaben – einen Schwarzbären, einen Braunbären und einen Eisbären – und das haben wir jetzt.«
»Ich wusste nicht mal, dass es Schwarzbären und Braunbären gibt, bevor ich euch allen begegnet bin«, gestand Kallik. »Ich hatte immer nur von Eisbären gehört. Vielleicht gibt es auch noch andere Bärenarten, die wir bloß noch nicht kennen?«
»Andere Bärenarten?«, fragte Lusa in gespielter Entrüstung. »Was denn für welche? Grünbären? Rosabären?«
»Vielleicht Bären, die schwarz und weiß sind«, überlegte Kallik.
»Das würde bestimmt sehr elegant aussehen«, bemerkte Lusa scherzhaft.
»Könnt ihr zwei da hinten mal ein bisschen still sein?«, rief Toklo. »Schnatter, schnatter, schnatter! Seid ihr Bären oder Gänse?«
Lusa und Kallik wechselten einen amüsierten Blick. Dann verschatteten sich Kalliks Augen. »Lusa, ich habe auch ein Zeichen gesehen.«
»Ehrlich?« Lusa starrte sie verdutzt an. »Wann denn?«
»Heute Morgen«, gestand Kallik. »Einer von den Sternen am Himmel hat geblinkt. Und er hat sich bewegt – in dieselbe Richtung, in der wir jetzt gehen! Ich glaube, das war eine Botschaft von den Seelen, die uns zeigen soll, dass wir auf dem rechten Weg sind.«
Lusa machte einen kleinen Hüpfer. »Ich wette, dass du recht hast! Das klingt wahrhaftig nach einem Zeichen!«
Es ging schon auf die Zeit des Sonnenhochs zu, als sie auf einen Schwarzpfad am Rande des Flachgesichterhöhlengebiets stießen. Diese Ansammlung von Höhlen war viel kleiner als die rings um das Bärengehege, wo Lusa aufgewachsen war. Aber es roch sehr stark nach Flachgesichtern und Feuerbiestern, und sie konnten das übliche Klappern und Summen hören, das immer aus den Flachgesichterhöhlen drang. Lusas Pelz schien zu knistern von der Energie, die in der Luft lag.
Sie machten im Schatten eines Baumes halt, der von Dornbüschen umgeben war. Lusa legte ihre Nase an die Rinde und fragte sich, ob es der Bärenseele im Innern etwas ausmachte, dass die Höhlen der Flachgesichter so nahe waren. Auf dieser Seite des Schwarzpfads standen etliche Bäume, auf der anderen Seite jedoch, um die Höhlen herum, nicht so viele.
»Verstecken wir uns hier, bis es dunkler ist«, schlug Toklo vor, indem er einen Teil des Gestrüpps zur Seite drückte. »Es wird leichter sein, zum Großen Fluss vorzudringen, wenn möglichst viele von den Flachgesichtern und Feuerbiestern schlafen.«
»Wenn es nur länger dunkel bliebe«, wünschte sich Ujurak. »Hoffentlich schaffen wir es über den Fluss, bevor sie alle aufwachen.«
Lusas Magen knurrte, als sie in das dunkle Dickicht hineinkroch. Es war heiß, sie fühlte sich schmuddelig und sie war fast am Verhungern. Zwar waren sie hier vor unerwünschten Blicken geschützt, aber es war eng, und sie lagen so dicht aneinandergedrängt, dass Lusa den Wunsch verspürte, sich wenigstens für einen kurzen Augenblick in den Großen Bärensee zu stürzen. Danach würde ihr Fell bestimmt nicht mehr so jucken.
Bald wirst du jede Menge Gelegenheit zum Schwimmen haben, rief sie sich in Erinnerung. Dann aber dachte sie daran, was Qopuk über die Gefahren des Großen Flusses gesagt hatte. Vorsicht, freu dich nicht zu früh …
10. KAPITEL
Lusa
Die vier Bären machten es sich so bequem wie möglich. Lusa legte den Kopf auf die Tatzen und lauschte dem Rumoren der Feuerbiester wenige Bärenlängen entfernt. Der von ihnen ausgehende Geruch betäubte alle ihre Sinne, und in den kurzen Träumen, denen sie sich zwischenzeitlich hingab, wimmelte es von Feuerbiestern, die ihr mit ihren
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