Seekers 03: Auf dem Rauchberg
das Flachgesicht in die Höhle zurückging. Ganz in der Nähe vernahm sie ein rauschendes, gurgelndes Geräusch. »Hört ihr das?«, fragte sie leise. »Ich glaube, wir sind schon fast beim Fluss.«
Sie zwängte sich durch die Büsche zur anderen Seite und lief über das Gras hinter der nächsten Höhle. Die Freunde im Schlepptau, tauchte sie unter einem tief hängenden Ast hinweg, schlüpfte zwischen zwei Höhlen hindurch und eilte um ein großes eckiges Stück Schwarzpfad herum, das so roch, als hätten Feuerbiester den ganzen Tag darauf gekauert.
Als ihre Tatzen auf nassen Sand trafen, blieb Lusa stehen und starrte den Hang hinunter, der sich unter ihr erstreckte. Gerade als die anderen Jungbären sich um sie versammelten, rissen die Wolken auf, und ein dünner, blasser Mond trat hervor, um sein Licht auf den Fluss vor ihrer Nase zu werfen. Sie hatten den Großen Fluss erreicht, von dem Qopuk ihnen erzählt hatte! Nun mussten sie ihm nur noch bis zum Eismeer folgen und dann wartete die Letzte Große Wildnis auf sie.
»Toll, Lusa, du hast ihn gefunden«, lobte sie Kallik. »Ich hätte mich hoffnungslos verirrt zwischen all diesen Krallenlosenhöhlen.«
»Ja«, brummte auch Toklo, »gut gemacht.«
Lusa schwoll die Brust vor Stolz. Sie waren tatsächlich heil durch das Höhlengebiet der Flachgesichter gekommen!
Doch ihr Glücksgefühl verflog gleich wieder, als sie hinunter auf das dunkle, schnell fließende Wasser blickte, nur wenige Bärenlängen entfernt. Sie musste schwer schlucken. Ja, das war mit Sicherheit der Große Fluss … einen größeren als diesen konnte es gar nicht geben!
»Der ist ja riesig!«, sagte sie leise und voller Ehrfurcht.
Gemeinsam starrten sie auf das Wasser, das sich scheinbar endlos erstreckte. So etwas hatte Lusa überhaupt noch nicht gesehen. Der Große Bärensee war auch gewaltig gewesen, aber das war eben ein See, der musste groß sein, und in einem See gab es auch keine starken Strömungen, die einen Bären mit sich fortreißen konnten. Nach ihrer Vorstellung sollten Flüsse eine vernünftige Größe haben, sodass man als Bär hinüberschwimmen konnte, ohne zu ertrinken. Ein bisschen wie Schwarzpfade aus Wasser – gefährlich, aber nicht unmöglich zu überqueren.
Das hier jedoch … das war furchterregend!
11. KAPITEL
Toklo
Es war gespenstisch still am sumpfigen Ufer des Flusses. Toklo konnte das leise Summen der Feuerbiester und gelegentlich ein kurzes, einsames Bellen hören, das seiner Vermutung nach von dem Hund stammte, dem sie kürzlich begegnet waren. Der Rauchberg zeichnete sich auf der anderen Seite des Flusses ab.
»Sind wir uns sicher, dass das hier wirklich ein Fluss ist?«, fragte Lusa schaudernd. »Ich meine … er ist so … so … riesig .« Sie stellte sich auf die Hinterbeine und reckte den Hals, um zum anderen Ufer zu blicken. Doch sie konnte es nicht erkennen, es war zu dunkel.
Kallik watete durch den klebrigen Matsch und leckte vorsichtig ein bisschen am Wasser. »Es ist nicht salzig«, erklärte sie. »Irgendwie schmeckt es eklig, aber es ist kein Meerwasser oder so.«
»Und an der Strömung erkennt man, dass es ein Fluss ist«, betonte Ujurak. »Nur halt ein wirklich … verdammt großer Fluss.«
Toklo hatte keine Angst mehr vorm Schwimmen. Seine Furcht vor den Wassergeistern war verschwunden nach der Erfahrung im Großen Bärensee, wo er die Stimmen seiner Mutter und seines Bruders gehört hatte. Das hieß aber nicht, dass er jegliche Furcht vor dem Ertrinken verloren hätte. Dieser dunkle Fluss reichte weiter, als er sehen konnte. Und er war keineswegs so unbewegt wie der See, in dem er zur Tatzenspureninsel geschwommen war. Die Bärenjungen würden sich gewaltig anstrengen müssen, um nicht von der Strömung abgetrieben zu werden. Ob es wohl irgendwelche Braunbärenseelen in dem Fluss gab? Doch selbst wenn, wollte er sich nicht auf ihre Hilfe verlassen.
Er konnte lediglich Äste, Zweige und Flachgesichterabfälle erkennen, die schneller den Fluss hinabtrieben, als ein Bär laufen konnte. Weiter draußen glaubte er ein Gebilde zu sehen, das sich im blassen Mondlicht schemenhaft aus dem Wasser erhob. Ist das ein Baum?, fragte er sich.
»Bist du sicher, dass wir diesen Fluss überqueren müssen?«, fragte er Ujurak. »Ich dachte, der alte Eisbär hätte gesagt, wir sollten dem Fluss zum Eismeer folgen. Können wir das nicht auf dieser Seite tun?«
Ujurak schüttelte den Kopf. »Die Letzte Große Wildnis liegt auf der anderen Seite«,
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